Das Wort "Armut" beschreibt eine Situation des Mangels und der Bedürftigkeit. Dieser Mangel kann sowohl soziale als auch wirtschaftliche Bedürftigkeiten umfassen. Eine allgemein verbindliche Definition von Armut gibt es jedoch nicht. Das liegt daran, dass Armut nicht nur von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig ist. Sie wird ebenso von herrschenden Wertvorstellungen bestimmt sowie von der Wahrnehmung des jeweiligen Betrachters.
Die Wissenschaft unterscheidet grundsätzlich zwischen absoluter und relativer Armut. Auch gibt es Abgrenzungen zwischen subjektiver und objektiver Armut. Für die weitere Beschreibung von Zuständen von Armut gibt es Unterscheidungen zwischen temporärer, das heißt zeitweiliger, und permanenter, das heißt dauerhafter, Armut. Auch von materieller und immaterieller sowie primärer und sekundärer Armut ist die Rede. Die Begrifflichkeiten zeigen, wie vielfältig die Aspekte von Armut sind.
Interview
Armut in Brandenburg
Die Folgen und was wir dagegen machen können
Aussagen über Armut in Deutschland beruhen zumeist auf Angaben des Statistischen Bundesamtes oder des Sozio-oekonomischen Panels am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. (SOEP). Für Europa gibt es eine Gemeinschaftsstatistik (EU-SILC), für die Erfassung der Armut weltweit die Statistiken verschiedener Institutionen. Die Zahlen werden von den jeweiligen Autoren aber oft völlig unterschiedlich berechnet und bewertet.
Eine grundlegende Unterscheidung von absoluter und relativer Armut ist hilfreich, weil sie eng mit dem Grundverständnis über das gesellschaftliche Miteinander zusammen hängt. Wie geht ein reiches Land wie Deutschland zum Beispiel mit Armut um und wer ist überhaupt arm?
Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht eine enge Verbindung zwischen dem Verständnis von Armut und dem Lebensstandard einer Gesellschaft.
Je entwickelter eine Gesellschaft ist, desto weiter sollte ihr Armutsverständnis sein, fördert ein hoher Lebensstandard doch die soziale Ausgrenzung von Menschen, deren Einkommen nicht hinreicht, um selbst bei 'normalem' Alltagskonsum mithalten zu können und sich gleichberechtigt am sozialen, kulturellen und politischen Leben zu beteiligen".
Wer ist arm?
Absolut arm ist, wer seine Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann. Dazu gehören überlebensnotwendige Dinge wie etwa Nahrung, Trinkwasser, klimatisch angemessene Kleidung, ein Dach über dem Kopf, Geld für Heizung und Energie und eine medizinische Grundversorgung. Man spricht hier auch von extremer oder existenzieller Armut.
Bin ich arm?
Die Statistik kennt verschiedene Methoden, Armut zu messen. Mit dem Armutsrechner finden Sie heraus, ob eine davon auf Sie zutrifft.
Relativ arm hingegen ist, wer sich nicht ausreichend am gesellschaftlichen Leben beteiligen kann, weil er nicht über die entsprechenden Mittel verfügt. Die Wissenschaft hat dafür den Begriff vom soziokulturellen Existenzminimum geprägt. Bei dieser Form von Armut geht es um einen Mangel an Teilhabe. In allen westlichen Ländern dreht sich die gesellschaftliche Debatte vor allem um diese Art von Armut.
Ein Mensch, der relativ arm ist, ist von kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen, die für die Gesellschaft, in der er lebt, normal sind. Das können Konzertbesuche, der Besuch von Privatschulen, Klassenfahrten, aber auch der eingeschränkte Zugang zu Informationen sein.
Nach EU-Definition gelten Menschen als armutsgefährdet, die weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung ihres Landes oder ihrer Region zur Verfügung haben. Wer weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens hat, ist arm.
In Deutschland lag 2016 der 60 Prozent-Schwellenwert für eine alleinlebende Person bei 1.064 Euro im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.234 Euro im Monat. Abweichend von diesen Durchschnittswerten legen die einzelnen Bundesländer landesspezifische Zahlen vor. So galt in Brandenburg ein Einkommen von 959 Euro (2017) für einen Ein-Personen-Haushalt als Armutsgefährdungsgrenze. Hier setzt sich unter anderen die Landesarmutskonferenz für die Senkung von Armut ein.
Ursachen und Folgen von Armut
Die Ursachen für Armut sind vielfältig. Als wichtigste Ursachen von Armut in Deutschland gelten Arbeitslosigkeit, vor allem Langzeitarbeitslose sind betroffen, geringe Bildung und der Umstand, dass Väter oder Mütter alleinerziehend sind.
Die Folgen von Armut für den Einzelnen und die Gesellschaft können verheerend sein. Studien haben gezeigt, dass gerade sozial schwächere Schichten der Bevölkerung sich aus politischen und gesellschaftlichen Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen wie zum Beispiel Wahlen stärker zurückziehen als einkommensstärkere Gruppen.
Für demokratische Gesellschaften, in denen das Volk eine ganz zentrale, bestimmende Rolle einnimmt, geht es dabei um den Kern des Selbstverständnisses. Je weniger Menschen sich an der Demokratie beteiligen oder die Möglichkeit dazu haben, um so mehr steht die "Herrschaft des Volkes" in Frage, aber auch grundlegende Themen wie soziale Gleichheit und Gerechtigkeit.
Zukunftsvertrag für die Welt
2015 trafen sich Vertreter der Vereinten Nationen in New York und verabschiedeten einen Zukunftsvertrag für die Welt. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sieht vor, die extreme Armut in allen Formen zu beseitigen. Die Zahl der Menschen, die von extremer Armut betroffen sind, ist seit 1990 weltweit zurück gegangen. Jedoch ist ihre Zahl mit 795 Millionen weiterhin hoch. Nach Berechnungen der Weltbank lebt heute noch rund 9,6 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut.
Hunger ist das größte Gesundheitsrisiko der Welt. 98 Prozent der Hungernden lebt in Entwicklungsländern (70 Prozent in Afrika und Südasien), über drei Viertel von ihnen im ländlichen Raum.
Durchschnittlich sind mehr Frauen und Mädchen arm oder armutsgefährdet als Männer und Jungen. Kinder und Jugendliche sind überproportional von Armut betroffen.
Der 17. Oktober erinnert als "Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut" daran, dass es nicht reicht, Armut in der Welt anzuprangern, sondern dass es konkreter Maßnahmen bedarf, sie auch zu beseitigen.
LD, Januar 2017 (zuletzt bearbeitet von BLPB im März 2020)
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