Bürgerräte sind eine Form der Bürgerbeteiligung, die es den Menschen ermöglichen soll, direkt beratend auf demokratische Prozesse einzuwirken. Viele sehen darin einen Weg, die bisherigen beiden Säulen unserer Demokratie, die direkte Demokratie und die repräsentative Demokratie zu erweitern und enger miteinander zu verbinden. Das Besondere dabei: die Teilnehmenden werden ausgelost. Die Idee dahinter: Durch das Los erhält jeder und jede die Möglichkeit teilzunehmen und die gesamte Bevölkerung wird in einem größeren Maß repräsentiert als in einem Wahlverfahren, auf dem die repräsentative Demokratie beruht.
Das Losverfahren ist so angelegt, dass die Auswahl ein möglichst breites Abbild der Bevölkerung darstellt. Dafür werden die folgenden Merkmale berücksichtigt:
- Kommunen unterschiedlicher Größe und geographischer Lage
- Geschlecht
- Alter
- Bildung
- Wohnortgröße
- Einkommen
- eventueller Migrationshintergrund
Die Menschen in den Zufallsproben werden angeschrieben und eingeladen, am Bürgerrat teilzunehmen. Aus dem Kreis der Interessierten wird dann der tatsächliche Bürgerrat ausgelost.
Im Bürgerrat diskutieren die Teilnehmenden gemeinsam über ein vorher festgelegtes Thema. Durch unabhängige Expertinnen und Experten werden sie über alle wichtigen Aspekte des Themas informiert. Im Ergebnis eines Bürgerrats werden Handlungsempfehlungen an die Politikerinnen und Politiker formuliert und diesen übergeben.
Kritik
Kritiker des Losverfahrens meinen, dass dieser Weg nicht mehr Demokratie bringt, sondern vielmehr eine große Gefahr für die Demokratie darstellt. Dies wird damit begründet, dass die Teilnehmenden der Bürgerräte nicht demokratisch ausgewählt wurden. Damit sei ein Kernmerkmal der Demokratie nicht erfüllt, nämlich dass die Staatsgewalt vom Volk ausgehen soll.
Zudem würden Bürgerräte keine Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen und könnten daher nicht zur Rechenschaft gezogen werden so wie es bei demokratisch gewählten Abgeordneten der Fall ist. Die Überprüfung durch die Wahlberechtigten, die am Ende einer Wahlperiode ihre Stimme vergeben, gibt es im Losverfahren nicht.
Auch in der Tatsache, dass eine öffentliche Diskussion mit den Teilnehmenden der Bürgerräte nicht stattfindet, sehen Kritiker ein undemokratisches Element, da zentrale Grundrechte wie Meinungs- und Medienfreiheit, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit damit praktisch nicht möglich sind.
Im Ergebnis halten Kritiker des Losverfahrens die bestehenden Formen des Wahlrechts in der repräsentativen Demokratie für demokratischer, weil dieses, abgesehen vom Alter und den bürgerlichen Ehrenrechten, keine weiteren Voraussetzungen für eine Teilnahme hat. Niemand muss demzufolge auf das Los warten, denn Jeder und Jede könne für sich entscheiden, ob er wählen geht oder sich zur Wahl stellt.
Bürgerräte versus repräsentative Demokratie?
Bürgerräte sollen das System der repräsentativen Demoratie ergänzen, sagen Befürworter. Denn nicht Abgeordnete entscheiden als Vertreterinnen und Vertreter der Wahlberechtigten, sondern die Bürgerrinnen und Bürger können ihre eigenen Interessen unmittelbar selbst mitgestalten.
Die Initiative Mehr Demokratie e.V. brachte die Idee nach dem irischen Beispiel in die deutsche Politik. 2019 fand der erste Bürgerrat in Leipzig unter dem Thema "Bürgerrat Demokratie" statt, im Januar 2021 startete der zweite Bürgerrat unter dem Thema "Deutschlands Rolle in der Welt". Je 160 Bürgerinnen und Bürger, darunter auch aus Brandenburg, nahmen per Losverfahren daran teil.
BLPB, Januar 2021
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