Die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland steigt, das Renteneintrittsalter auch. Die Geburtenzahlen sinken und die Bevölkerung schrumpft. Prognosen besagen, dass im Jahr 2060 die Hälfte aller Einwohner in Deutschland älter als 60 Jahre sein wird, ganze Landstriche veröden und Ortschaften entvölkert sein werden. Der demografische Wandel verwandelt schöne Aussichten auf einen beschaulichen Ruhestand in deprimierende Vorhersagen von Altersarmut und Pflegenotstand.
Ist der Wandel aufzuhalten? Und wenn ja, wie und wodurch?
Karikaturisten können die Entwicklung nicht verhindern – ihre satirischen Kommentare aber können die Aufmerksamkeit schärfen und Probleme verdeutlichen. Dass das Lachen dabei nicht zu kurz kommt, beweisen Barbara Henniger, Gerhard Glück, Nel, Thomas Plaßmann und Erich Rauschenbach in der Ausstellung der Landeszentrale.
Satirische Bestandsaufnahme
Reges Treiben auf dem Spielplatz: Da wird gerutscht, geschaukelt und gebuddelt, vom Rollstuhl zum Roller gewechselt, der Rollator mit dem Klettergerüst getauscht. Der Spielplatz wird zum Jungbrunnen für die Alten. Doch die fröhliche Vision von Barbara Henniger hat einen Schönheitsfehler: Es gibt keine Kinder. Die werden auf ihren Blättern zum seltenen Ereignis und verdeutlichen so das Dilemma der Geburtenrückgänge.
Barbara Henniger thematisiert den Jugendwahn, zeigt die statistisch korrekte Familie und bebildert mit grimmigem Humor die Welt der Alten, die sich – notgedrungen – bis zum Lebensende auf dem Arbeitsmarkt tummeln oder der Gesellschaft zur Last werden. Das Aussetzen von Haustieren und Großeltern vor Ferienbeginn ist da nur eine logische Konsequenz, die der demografische Wandel vorzugeben scheint.
Von purer Fröhlichkeit kann bei Thomas Plaßmann nicht die Rede sein. Er formt seine meist verdrießlich dreinblickenden Gestalten aus einem schier endlosen Vorrat von dünnen Linien, die, entknäult und in neue Bahnen gelenkt, zu Figuren aus dem wirklichen Leben werden. Zwar kommen bei Plaßmann alle Generationen zu Wort, doch will das Gespräch miteinander nicht recht gelingen. Wenige Worte und knappe Dialoge genügen, um die Probleme des demografischen Wandels zu erklären.
Gern folgt man Plaßmanns Gedanken-Strichen, führen sie doch zuverlässig bis zur rabenschwarzen Pointe. Er denkt und zeigt konsequent zu Ende, was Demografen prophezeien. Seine Bestandsaufnahme ist bitter, seine Empfehlungen von bösem Witz.
Gerhard Glückk, der so unnachahmlich witzig den deutschen Spießer aufs Korn nimmt, zeigt bei diesem Thema auch eine andere, fast unbekannte Seite. Die grüne Idylle ist trügerisch und mündet in tiefe Traurigkeit, wenn sich das Einzelkind beim Dauer-Karussell-Fahren einsam im Kreise dreht.
Im Arrangement von grübelndem alten Mann und bunten Bauklötzen sind Kinder gänzlich abhanden gekommen. Der Humor stellt sich erst wieder bei dem Roller fahrenden Rentner ein, der mit dem Solarmantel eine fröhliche Verbindung von Erfindergeist und langer Lebenserwartung eingeht.
Lange wollte man den warnenden Vorhersagen der Demografen nicht glauben. Doch inzwischen gilt als sicher: Wir werden älter und wir werden weniger! Prognosen sagen voraus, dass es im Jahr 2050 in Deutschland 23 Millionen Menschen geben wird, die 65 Jahre und älter sind. Allerdings wird die Bevölkerung in 40 Jahren von jetzt 82 Millionen auf 69 Millionen schrumpfen und damit fast die Hälfte der Einwohner im Seniorenalter sein.
Der Traum des Menschen von einem langen Leben wird wahr – und gleichzeitig zum Schreckszenario der Zukunft. Die Politik sucht dringend nach Lösungen; Länder und Kommunen, Vereine und Bürger sind aufgefordert, Vorschläge zu machen, wie man dem demografischen Wandel begegnen und seine Folgen erträglich machen kann.
Ob Paar oder Gruppe, Familie oder Einzelperson – das handelnde Personal in Nels zart kolorierten Lebenswelten besitzt einen hohen Wiedererkennungswert. Statistische Aussagen und Politiker-Statements werden bei ihm zu Bildern mit lakonischem Witz. In seinen täglichen Karikaturen schafft er es, komplizierte Zusammenhänge zu entwirren und sie mit heiterer Naivität zu erklären.
Dass die Rente sicher sei, verhallt bei ihm wie das Amen in einer fast leeren Kirche und Sankt Nimmerlein wird folgerichtig zum Schutzpatron des Renteneintrittsalters. Das demografische Gleichgewicht bleibt bei Nel nur durch eine listige Schummelei der überzähligen Alten im Gleichgewicht.
60 Jahre sind der magische Punkt auf Erich Rauschenbachs Messlatte für Glaubwürdigkeit und so wird sein Motto zur titelgebenden Karikatur. Mögen T-Shirt und Träger inzwischen gemeinsam in die Jahre gekommen sein, mit dem Erreichen des Rentenalters ist dem Zeichner auch der Perspektivwechsel geglückt und entspricht damit ganz den künftigen Mehrheitsverhältnissen. Auch sonst schafft Rauschenbach, die komplexe Thematik mit viel Witz in Sprechblasen-Dialogen verständlich zu machen und darüber hinaus praktische Tipps zur Lösung altersbedingter Probleme zu geben.
Karikaturisten können die Entwicklung nicht aufhalten, doch ihre Kunst kann die Aufmerksamkeit schärfen und Probleme verdeutlichen. Und so lassen die fünf hier versammelten Zeichner bei ihrer Bestandsaufnahme kein Stichwort aus: Ob Altersarmut oder Pflegenotstand, Jugendwahn oder Geburtenrückgang, Renteneintrittsalter oder Rentensicherheit, Abwanderung oder Arbeitskräftemangel – noch im bittersten Ernst finden sie einen heiterer Aspekt und zu jedem Thema eine bildhafte Übersetzung.
Die Blickwinkel sind verschieden, ebenso die Zeichenstile und die Art des Humors. Ansehenswert aber sind sie alle, die satirischen Kommentare zum demografischen Wandel.
Martina Schellhorn
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung
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Kommentare
KommentierenGlücklich im Alter
Man sollte nicht immer alles nur negativ sehen. Zuerst einmal sollten wir doch alle froh sein, dass man durch die moderne Medizin deutlich älter werden kann als früher und man auch wesentlich länger gesund und fit ist! Aussterben wird der Mensch deswegen nicht und, ob es zur Altersarmut kommt, da gilt es einfach selbständig zu handeln!
Die „post-juniore“ Lebensphase
Kommentar zur Ausstellung von Carola Hein in der MAZ vom 4.08.2011
Leben im Alter oder mit dem Alter
Was ich mir wünschen würde, dass das Verständnis für die junge Generation bei der älteren Generation endlich mal wächst.
Ich bin 51 und habe zwei Söhne im Alter von 31 und 25 Jahren.
Oft höre ich von denen, dass die "Alten" kein Verständnis aufbringen und nur an sich und die Rente denken.
Da ich im Vermietungsgeschäft tätig bin muss ich das leider bestätigen.
Wenn die arbeitende Bevölkerung abends nach Hause kommt, stehen schon drei Rentner hinter dem Türspion und warte darauf das die junge Garde heim kommt um nun sofort los legen zu können.
Wieder mal nicht rechtzeitig das Treppenhaus gewischt, ausversehen die Kellertür offen gelassen und was das Größte aller Vergehen ist, ist die Waschmaschine nach 18.00 Uhr angestellt zu haben. Ja, Ja diese Jugend und Sonntags erst um 8.00 Uhr aufstehen. Tsi, Tsi,Tsi muss ich dringend dem Vermieter melden.
Das nervt mich. Verständnis der jugend für das Alter soll so sein, dann bitte aber anders herum.
M.Borgwardt
Durchhalten!
Kommentar zur Ausstellung von Gerold Paul in der PNN vom 30.06.11
Man sollte die Zahlen relativieren
Es klingt so negativ und auf den ersten Blick beängstigend wenn im Jahr 2060 die Hälfte aller Einwohner über 60 Jahre alt sein wird. Wenn man allerdings die Zahlen des Statistischen Bundesamtes in die Betrachtung einbezieht wird man feststellen, dass die Menschen im Jahr 2060 auch eine Lebenserwartung von ca. 90 Jahren haben und dank moderner Medizin auch wesentlich mobiler sein werden als heute.
Ein demografischer Wandel vollzieht sich nicht von heute auf morgen und wenn die Politik vorausschauend plant wird die Welt in 2060 nicht untergehen!
Viele Grüße,
Jan von Meine-Musikschule.com
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