Dieses Kapitel enthält eine schlechte Nachricht und eine katastrophale – welche möchten Sie zuerst? Fangen wir mit der schlechten an: Der Brandenburger ist mit den „Fischköppen“ von der Ost-und Nordseeküste sprachlich verwandt. Das mag für manche schwer zu glauben sein, aber es ist wahr: Brandenburg ist altes plattdeutsches Gebiet.
Die Bezeichnung Speckgürtel assoziiert Wohlstand und Zufriedenheit. Doch ganz so simpel ist die gelebte Wirklichkeit rund um Berlin nicht. Zwar profitieren die Gemeinden vor allem vom Zuzug, jedoch bringt dies auch Probleme mit sich.
In einer Welt, in der Energie Wachstumsmotor ist, scheinen die Aussichten für das schrumpfende Brandenburg rosig. Das dünnbesiedelte Land bietet viel Platz für Windräder, Solaranlagen und Biomasseproduktion. Die Tage des Energieträgers Braunkohle scheinen gezählt.
Die »verlorenen Orte« sind nicht immer bedeutungslos gewesen, sondern wurden von heute auf morgen ihrer ursprünglichen Funktionen beraubt und verfielen. Geschichte hat hier schon seit Jahrhunderten Reste von überlebter Kultur in der Landschaft hinterlassen.
Im Grunde ist es egal, in welche Himmelsrichtung man sich in Brandenburg aufmacht. Die Kunst lauert überall und nur scheinbar liegen die brandenburgischen Kleinstädte und Dörfer im kulturellen Dornröschenschlaf.
Es braucht Zeit zu begreifen, dass der Kreis rund um das magnetische Berlin seine eigene Anziehungskraft hat. Betrachtet man die Landschaft oft genug, während einer Zugfahrt vielleicht, und lässt sich auf die Schönheit ein, dann wird man früher oder später anhalten.
Dieses Hemdsärmelige, Bodenständige, Nonchalant-Volksnahe ist es, was die drei märkischen Ministerpräsidenten seit der Wende eint. Und doch sind sie grundverschieden. Drei Vätertypen, die für die drei Phasen Brandenburgs nach der Deutschen Einheit stehen.
Brandenburg ist angesagt. Die Buchhandlungen der Hauptstadt sind voll von entsprechenden Reise-»verführern«, in denen das »Regionale« beschworen und vom »Reiz des Unverfälschten« erzählt wird, sodass es manchmal scheint als wäre das Umland von Berlin eine einzige Wohlfühlzone.
Gartz und sein Amt, das war einmal die Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Doch statt »Gute Nacht« hört man heute immer öfter »dzień dobry«. Inzwischen sind zwölf Prozent der Bewohner im Amt Polen, in manchen Dörfern machen sie fast die Hälfte der Bevölkerung aus.
Es gibt offenbar eine verborgene Brandenburger Identität. Lasst uns also das Land der Brandenburger mit der Seele suchen, so wie einst Goethes Iphigenie in der Verbannung das Land der Griechen suchte, als es noch keine Smartphones gab.
