Im Begriff der "Umerziehung" werden verschiedene historische und gesellschaftliche Zusammenhänge deutlich. In Deutschland ist er zunächst vor allem in seiner englischen Form als „Re-Education“ bekannt geworden. Historisch gesehen bewegen wir uns in der deutschen Nachkriegszeit von 1945 bis etwa 1947. Zusammenfassend werden damit bildungspolitische Maßnahmen der westlichen Siegermächte gegenüber der deutschen Bevölkerung bezeichnet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sowohl die amerikanische als auch die britische Besatzungsmacht versucht, Deutschland einen Weg zurück in die "Kulturgemeinschaft zivilisierter Nationen, die es unter der national-sozialistischen Herrschaft verlassen hatte" zu bahnen.* Ein Konzept dafür war die Umerziehung der Deutschen. Der englische Begriff dafür hieß "Re-Education" und wurde bereits seit 1946 durch den Begriff der "Re-orientation" (Neuorientierung) zunehmend ersetzt. Das Konzept der Umerziehung und der Begriff sind also eng mit dem Völkermord und der Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung während der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. So etwas sollte nie wieder geschehen.
Im Kern ging es weniger um eine Umerziehung als vielmehr um ein Umdenken in der deutschen Bevölkerung, weg von rassistischen, faschistischen und biologistischen Denkmustern hin zu einer demokratischen Kultur.* Bereits 1947 traten die Bildungsziele, die mit dem Konzept der Neorientierung verbunden waren, vor den Auseinandersetzungen der westlichen Siegermächte und der Sowjetunion zurück (Kalter Krieg).
Umerziehung als sozialistische Diktaturpraxis
In der DDR wurde der Begriff der Umerziehung auf so genannte schwer erziehbare Kinder und Jugendliche angewendet, die in Umerziehungsheimen, Spezialkinderheimen oder so genannnten Jugendwerkhöfen eine neue Einstellung zur sozialistischen Lebens- und Arbeitsgesellschaft anerzogen bekommen sollten. Die Zeit in diesen Erziehungsanstalten war für viele Kinder und Jugendliche so schrecklich, die erlittenen Qualen durch Schläge, Drill und Medikamente so furchtbar, dass sie ihr gesamtes weiteres Leben an den Folgen litten. Die Betroffenen können Entschädigungsleistungen beantragen.
Umerziehung als Kampfbegriff der neuen Rechten
Der Begriff der „Umerziehung“ ist auch weiterhin in manchen Gruppen der Gesellschaft in Gebrauch. In der rechten Szene wird er zum Beispiel als Kampfbegriff gegen Andersdenkende verwendet. So spricht etwa die rechtsextreme Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) von einer „schleichenden Umerziehung“ der Europäischen Union in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter oder greift Befürworter einer geschlechtergerechten Sprache an. In diesem Zusammenhang ist dann auch oft von „neuer Umerziehung“ die Rede.
BLPB, Februar 2019 (zuletzt aktualisiert: Januar 2022)
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