Brandenburg hat in den letzten 30 Jahren die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher bewältigt als alle anderen neuen Bundesländer, meint Professorin Heike Jacobsen von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.
Wo steht Brandenburg heute?
Brandenburg hat einen sehr langen Weg hinter sich gebracht. Wenn man sich Brandenburg zur Zeit der Vereinigung vorstellt, dann war es sehr stark von der Industrie geprägt, und zwar nicht von irgendeiner Industrie, sondern von der Schwerindustrie. Auf der anderen Seite gab es einen sehr hohen Anteil von Beschäftigten in der Landwirtschaft.
In der Schwerindustrie gingen sofort sehr viele Arbeitsplätze verloren, mit entsprechenden Folgen auch für die dortige Bevölkerung, für ihre Lebensweise, für ihre Kultur. Die Mitte des Alltags war quasi weg.
Insgesamt hat Brandenburg aber wirklich diesen Weg der letzten 30 Jahre, was den Arbeitsmarkt angeht, erfolgreicher bewältigt als alle anderen neuen Bundesländer. Die Erwerbstätigkeit hat sich natürlich verändert. Was zugenommen hat, sind die Dienstleistungen sowohl mit technologieintensiven Dienstleistungen als auch ...der Tourismus.
Was wird sich bis 2050 verändern?
Brandenburg wird sich seiner besonderen Lage rund um die Hauptstadt besser bewusst sein. Außerdem denke ich, wird es noch stärkere Initiativen als jetzt schon geben, ökologischen Landbau zu betreiben, der engere Verbindungen schafft zwischen Stadt und Land.
Es ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 15 und 65 Jahren, massiv zurückgehen wird. Es wird in näherer Zukunft wahrscheinlich neue interessante Ansiedlungen von Unternehmen geben. Unternehmen werden aus eigenem Interesse auch versuchen, sehr gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und Fachkräfte zu gewinnen.
Was müssen wir heute tun, damit wir auch in 30 Jahren gut in Brandenburg leben können?
Ich sehe vor allen Dingen zwei Aufgaben: Infrastruktur, Infrastruktur, Infrastruktur. Das sind jetzt schon drei, aber es bedeutet eben auch: Zusammenarbeit stärken. Infrastruktur, und das ist mir besonders wichtig, heißt auch soziale und kulturelle Infrastruktur.
Zusammenarbeit stärken, heißt in Bezug auf Arbeit, die Sozialpartnerschaft zu stärken. Für die Beschäftigten heißt das... sie können ihre Arbeitsbedingungen mitgestalten. Auch für die Unternehmen wäre es gut, sich besser zu organisieren und stärker auf ihre kollektiven Möglichkeiten, die Wettbewerbsbedingungen zu beeinflussen, zu setzen.
Ganz nebenbei gesagt, hat Brandenburg die höchste Zahl an Schulabgängern mit Hochschulreife von allen Bundesländern. Das ist ja schon eine Basis, auf der man gut aufbauen kann.
Anm. d. Red.: Für die schriftliche Form wurden die Antworten redaktionell bearbeitet. Es gilt das gesprochene Wort. Den vollständigen Wortlaut hören Sie im Videoclip:
BLPB, November 2020
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Kommentare
KommentierenMit großem Interesse habe…
Mit großem Interesse habe ich die Einschätzungen zu "Brandenburg 2050" gelesen. Für junge Menschen und Familien - die, die in der Bevölkerungspyramide fehlen bzw. fehlen werden - könnte es attraktiv sein, nach Brandenburg zu ziehen. Gerade der enorme Druck auf Berlin (sowie Speckgürtel) und dessen Mieten/Grundstückspreise lassen die "Peripherie" als Alternative erscheinen. Aber was fragt man sich als erstes: Wo arbeite ich? Wie komme ich da hin und wie lange brauche ich für den täglichen Weg? Wie kommen meine Kinder zur Schule? Ist die Internetverbindung schnell genug für Homeoffice? Infrastruktur stimmt also. Vielleicht kann dies durch die Ansiedlung von Unternehmen beschleunigt werden. Schön wäre es, wenn der Öffentliche Dienst in Brandenburg Vorbild sein würde und als attraktiver Arbeitgeber voran gehen würde. Solange es so viele unterdurchschnittlich bezahlte und sachgrundlos befristete Stellen gibt, ist es für viele - vor allem - studierte Brandenburger*innen woanders attraktiver.
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