Nach der Reichsgründung 1871 war die brandenburgische Gesellschaft gespalten und die Industriealisierung brachte erhebliche Veränderungen mit sich. Zwischen 1914 und 1918 erschütterte der Erste Weltkrieg das Land. Als dann am 09. November 1918 der Kaiser abdankte und die Republik ausgerufen wurde, war das das Ende der Monarchie in Deutschland.
Nach der Gründung des Kaiserreichs nahm Berlin eine besondere Stellung gegenüber der umliegenden Provinz ein. Während sich Berlin als Hauptstadt des Reiches zur Weltstadt wandelte, ging es in der Peripherie indes provinziell zu.
Ein Jahr nach Reichsgründung wurde die dörfliche Selbstverwaltung eingeführt, die eine Ausdehnung der Kreisordnung beinhaltete. Die Eigenständigkeit der preußischen Provinzen wurde 1875 durch die Provinzialordnung gestärkt und symbolisierte für Brandenburg weitgehende Unabhängigkeit. Berlin verließ 1881 – bedingt durch die rasant anwachsende Bevölkerungszahl – den Provinzialverband Brandenburg. In der Folge wurde ein eigener Verwaltungsbezirk gegründet, der innerhalb der Provinz eine Art Sonderstellung einnahm, aber faktisch weiterhin zur brandenburgischen Provinz zählte. Brandenburg wurde im selben Jahr mit cirka 40.000 km² die zweitgrößte Provinz im preußischen Staat.
Gespaltene Stimmung in der Bevölkerung
Die Stimmung innerhalb der brandenburgischen Bevölkerung war nach der Gründung des Kaiserreichs gespalten. Während die Mehrheit sowohl auf dem Land als auch in der Stadt auf Seiten des preußisch-konservativen Lagers stand, betrachteten Teile der Arbeiterschaft das patriotisch anmutende Gedankengut skeptisch. Die Anhängerschaft der Sozialdemokratie wuchs in den vier Jahrzehnten nach der Reichsgründung stark an. Lag sie 1871 noch bei zwei Prozent, war sie 1912 auf 47 Prozent angewachsen.
Dieser starke Stimmenzuwachs für eine Partei, die sich für Arbeitnehmerrechte einsetzte, verlief parallel zur Industrialisierung. Die Industrialisierungswelle führte vor allem im Berliner Umland zu erheblichen Veränderungen. Die typischen Dorfkerne und Ackerflure wichen Fabrikanlagen, Arbeitersiedlungen oder auch Grüngebieten mit dazwischenliegenden Villenvierteln. In Hennigsdorf, Teltow und Wildau siedelte sich die Chemie- und Elektroindustrie wie auch die Metallverarbeitung an.
Mit den Industrialisierungsprozessen stieg auch die Bevölkerungszahl. Standen 1871 zwei Millionen Brandenburgerinnen und Brandenburger 820.000 Berlinerinnen und Berlinern gegenüber, waren es 1910 4.09 Millionen Brandenburgerinnen und Brandenburger und 2.07 Millionen Berlinerinnen und Berliner. Für den Potsdamer Bezirk mit 2.86 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern bedeutete dies ein Wachstum von 180 Prozent im Vergleich zum Jahr der Kaiserreichsgründung. Er wuchs damit noch schneller als die Hauptstadt.
Landflucht Anfang des 20. Jahrhunderts
Abseits der Industrieregion um die Hauptstadt herrschten zeitgleich in den 3.115 Dorfgemeinden und cirka 2.000 Gutsbezirken weiterhin agrarische Verhältnisse. Im Frankfurter Regierungsbezirk waren 50 Prozent der Menschen in der Land- und Forstwirtschaft tätig, während Industrie und Handwerk weniger als 40 Prozent und der tertiäre Sektor, also private und öffentliche Dienstleistungen, um die 10 Prozent ausmachten. Der Anfang des 20. Jahrhunderts war in Brandenburg durch eine starke Landflucht geprägt. Dies traf vor allem die Prignitz, die Gebiete jenseits der Oder sowie vormalige Dörfer von Kolonistinnen und Kolonisten in den Bruchgebieten. Einige Stadtgemeinden versuchten, gegen diese Entwicklungen Maßnahmen zu ergreifen.
So entwickelte sich beispielsweise Wittenberge zum Zentrum der Metallindustrie. Die Singer-Nähmaschinenfabriken und ein Reparaturwerk der Reichsbahn schafften Arbeitsplätze und die Zahl der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner verdreifachte sich innerhalb von 50 Jahren. Rathenow wirkte der Landflucht vor allem mit dem Aufbau feinmechanischer und optischer Industrie entgegen. Forst fokussierte sich indes mit Erfolg auf das Textilgewerbe und im Lausitzer Raum um Senftenberg und Drebkau wuchs die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner Dank des Abbaus der Braunkohle.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es damit in Brandenburg sowohl Gebiete mit einer hohen Gewerbedichte wie auch Regionen, die stark landwirtschaftlich geprägt waren. Die Unterschiede zwischen den Lebensrealitäten schlugen sich nicht nur in der architektonischen Bauweise der Städte nieder, sondern ließen auch Klassenunterschiede sichtbar werden. Mit zunehmender Unzufriedenheit reagierte die Arbeiterbewegung auf monarchische Anwandlungen und die Ausbreitung einer kapitalistisch orientierten Wirtschaftsordnung. Die Industrialisierung sorgte auch für Skepsis auf Seiten des bürgerlich konservativen Lagers. Der Schriftsteller und gebürtige Neuruppiner Theodor Fontane beschrieb diese besondere Stimmung in seinem fünfteiligen Werk der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, dessen erster Band 1862 erschien und vor allem die Entwicklungen in der Mittelmark behandelt.
Erster Weltkrieg und das Ende der Monarchie
Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurden alle nicht kriegsnotwendigen Wirtschaftszweige (wie etwa Glas- und Ziegeleiproduktionen) eingestellt. Eine Welle an Protest- und Streikaktionen folgte. Im Verlauf des Krieges entstand in der Bevölkerung eine wachsende Friedenssehnsucht. Mit einem Waffenstillstand endete der Krieg am 11. November 1918. Zwei Tage zuvor, am 09. November, hatte Reichskanzler Max von Baden ohne Rücksprache mit Kaiser Wilhelm II. dessen Verzicht auf den Thron erklärt und Friedrich Ebert zum neuen Reichskanzler ernannt. Später am gleichen Tag riefen Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht die Republik aus. Das war das Ende der Monarchie in Deutschland.
Infolge der Weltwirtschaftskrise 1929, die auch in Brandenburg verheerende Folgen hatte, gewannen die Nationalsozialisten an Zuspruch. Nach ihrer Machtübernahme 1933 verloren die Länder ihre Selbstständigkeit, die Landesparlamente wurden abgeschafft.
BLPB, Oktober 2022
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