Die Kunst des Einschmelzens

Die Kulturingenieure verarbeiten komplexe Sachverhalte, Prozesse oder Zeitläufe zu bekömmlicher Kost. Den technischen Vorgang nennen sie Komplexitätsreduktion. Wir haben sie gefragt, wie sie bei Luther herangegangen sind.

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Reformation und Freiheit: Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg“ heißt die Sonderausstellung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) in Potsdam, die vom 8. September 2017 bis 21. Januar 2018 präsentiert wird. Neben der Ausstellung wird ein großes Programm mit öffentlichen Führungen, Workshops, Lesungen sowie Vorträgen angeboten.

Die KULTURINGENIEURE haben einen Clip produziert, der auf heiter ironische Weise die Ausstellung noch einmal auf den Punkt bringt. Wir wollen mit dem kleinen Film Lust auf die Ausstellung und das Rahmenprogramm machen und haben die KULTURINGENIEURE Alexander Lahl und Max Mönch zu ihrem Werk befragt.

Euer Markenzeichen ist „Die Kunst des Einschmelzens“ historischer Prozesse und Entwicklungen zu kompakten Videoclips. Wie seid Ihr bei Luther herangegangen?

Genau so, also mit der Frage: Wie schmelzen wir den großen Luther auf 3 Minuten ein? Es ist ja klar, dass das im Prinzip nicht geht. Aber ein bisschen überspitzt, geht es am Ende vielleicht doch. Vorher haben wir natürlich noch ein paar Bücher gelesen.


Warum habt Ihr „die Angst des Christenmenschen“ als zentrales Motiv gewählt?

Weil von hier aus - so haben wir es zumindest verstanden - Luthers gesamtes Denken ausgeht. Luthers Gott ist eben noch nicht der liebe, gnädige Gott, den wir heute kennen. Es ist ein zorniger Gott, der es mehr mit der Strafe als mit der Gnade hat und vor dessen Urteil sich die Menschen, einschließlich Luther, fürchten. *
 

Euer Film ist Teil der großen Reformationsausstellung in Potsdam. Wie habt Ihr das Thema Freiheit bearbeitet, ein zentrales Thema der Ausstellung?

Einerseits mit der Darstellung von Luthers Antwort auf die zeitgenössische, religiös begründete Angst. In der Befreiung von der Angst durch die Verheißung der Gnade Gottes lag die eine Seite der Freiheit wie Luther sie auslegte. Dies wird im Film thematisiert. Die zweite Seite war die Widerständigkeit, die Luther gegen Papst und Kaiser an den Tag legte.

Wie er „einfach nicht anders kann“, als seiner inneren Stimme zu folgen, das ist ein starkes Motiv, mit dem man auch heute noch etwas anfangen kann. Drittens aber - und das muss man auch erzählen - hat Luthers Freiheit nichts mit politischer Freiheit zu tun. An diesem Punkt war Luther möglicherweise nicht ganz konsequent beziehungsweise hatte Angst vor den möglichen Konsequenzen. Wer weiß.

Logo Kulturingenieure

Die Kulturingenieure verarbeiten komplexe Sachverhalte, Prozesse oder Zeitläufte zu bekömmlicher Kost. Den technischen Vorgang nennen sie Komplexitätsreduktion.

Die Palette ihrer Produkte ist breit: Trickfilm, Comic, Imagematerial, Kinderbuch, Dokumentarfilm, Videoclip und crossmediale Ware.

Die Toilette als Ort des Nachdenkens und der Erkenntnis scheint ja auch eine bedeutende Rolle im Film zu spielen …

Da wäre Luther ja auch nicht der einzige. Nach eigener Aussage soll er den entscheidenden Gedanken auf dem Örtchen gehabt haben. Ob das stimmt oder nicht - für den Film war das natürlich wunderbar, weil es lustig und einprägsam ist. Unser Animationskünstler Philipp Seefeldt wollte die Szene sogar noch etwas „ausschmücken“, aber das war dann zu viel des Guten. Übrigens sollen Archäologen vor etwas für 10 Jahren Luthers Toilette gefunden haben. Wenn das kein Beweis ist...
 

Warum habt Ihr die deutsche Sprache, die ja durch Luther bis heute teilweise geprägt ist, ausgespart?

Das Luther-Deutsch klingt wirklich herrlich: "Wiltu alle gepott erfullen/deyner bößen begirde und sund loß werden/wie die gebott zwyngen und foddern. Sihe da/glaub in Christum/yn wilchem ich dir zusag/alle gnad /gerechtickeyt/frid und freyheyt/glaubstu so hastu / glaubstu nit/so hastu nit." Aber im Ernst, hier greift einfach der Zwang des Einschmelzens. Die vielen bleibenden Luther-Aussprüche sind vielleicht Thema einer Fortsetzung…


Wen und was braucht es für einen solchen Clip und wie lange dauert die Produktion?

Was man für so einen kleinen Streifen braucht, sind zunächst mal Autoren, vor allem aber einen Animationskünstler, den wir in dem wunderbaren Philipp Seefeldt gefunden haben. Wenn die Animation steht, braucht man noch einen Sprecher und einen Sounddesigner. Denn ohne Ton ist es auch nur ein halber Film. Und im Hintergrund jemand, der das alles organisiert. Und was die Zeit betrifft - Ich hab mal schnell nachgeschaut, wir haben Anfang Dezember mit der Produktion begonnen. Das heißt ein gutes halbes Jahr hat die Produktion gedauert.


Was hat Euch bei der Erarbeitung des Clips überrascht, welche ungeahnte Erkenntnis hattet Ihr?

Vor allem, dass der Kohlhaas eigentlich Kohlhase hieß und der Luther ihm ganz schön die Meinung gegeigt hat!
 

Welche ersten Reaktionen gab es?

Am Abend der Ausstellung schienen sich die Zuschauer jedenfalls zu amüsieren. Teils lautstark - übrigens besonders über das „stille Örtchen“.

Danke für das Gespräch.
 

Landeszentrale, Oktober 2017

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