Im Streit um den Erhalt von DDR-Gebäuden und den Wiederaufbau historischer Ensembles stehen sich unterschiedlichste Gruppen mit verschiedenen Anliegen gegenüber. Und während in den berlinnahen Gebieten Wohnungen ein knappes Gut sind, muss Eisenhüttenstadt den Leerstand verwalten. Bundesweit für Spott sorgt der Flughafenausbau BER als eines der teuersten deutsche Großprojekte.
Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind heute groß: Nach Potsdam und in den Berliner Speckgürtel ziehen immer mehr Menschen. Der Wohnraum ist knapp, die Züge und Straßen voll. Forschungsinstitute, Museen und die Landesregierung machen Potsdam attraktiv. Die ländlichen Regionen und kleinen Städte kämpfen dagegen darum, ihre Einwohner zu halten, Industrie anzulocken und dem demographischen Wandel zu begegnen.
Bei der Wiedervereinigung hatten überall in Ostdeutschland große und kleine Städte ähnliche Probleme: Die historischen Innenstädte waren baufällig, Altbauwohnungen standen leer oder hatten noch Ofenheizungen. Die Privatisierung der DDR-Betriebe hinterließ leerstehende Industriegelände und Bahngleise, Straßen und Flughäfen mussten über die alten Grenzen hinweg gebaut werden.
Bewohnerinnen und Bewohner waren gefragt: Was sollte bleiben und saniert werden, was sollte weg und was neu entstehen? Nicht immer waren sich dabei alle einig. Hausbesetzungen, Demonstrationen, Volksbegehren und Gerichtsverfahren begleiteten diesen Prozess.
Zwar wurden 1990 viele Straßen umbenannt, doch bis heute wird darüber diskutiert, ob dem KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann, dem DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck oder dem Chef der DDR-Volkspolizei Kurt Fischer die Ehre einer Straßenbenennung zusteht.
Rettet die Altstädte!
Viele märkische Städte waren durch die letzten Kriegswochen und den Kampf um Berlin stark zerstört worden. Die Bevölkerung und viele Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten waren aber dringend auf Wohnraum angewiesen. In der DDR sollte eine neue Gesellschaft geschaffen werden. Deswegen entschieden die politisch Verantwortlichen gegen den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Altstädte, ließen sie verfallen oder abreißen.
Baumaterial, Handwerker und Geld investierten die Kreise in den Neubau, die Verteidigung und in Prestigeprojekte in den großen Städten. In der Umbruchphase um 1990 wurde einerseits schnell abgerissen und neugebaut, um die Zeit des Stillstands wieder aufzuholen. Andererseits schlossen sich engagierte Menschen zusammen, um baufällige Gebäude und Ensembles zu erhalten.
Eines der ersten Gesetze, das der Brandenburger Landtag 1991 verabschiedete, war das Denkmalschutzgesetz. Die 1992 gegründete Arbeitsgemeinschaft der „Städte mit historischen Stadtkernen“ des Landes Brandenburg machte es sich zur Aufgabe historische Stadtzentren zu erhalten und zu sanieren. Mit gemeinsamen Aktionen wie Ausstellungen im Stadtraum wird Anwohnerinnen, Anwohnern und Gästen der historische Stadtraum nähergebracht. Mit dem Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ förderte der Bund bis 2009 den Denkmalschutz ausschließlich in den neuen Bundesländern.
Preußische Ensemble wiederherstellen oder DDR-Architektur bewahren?
In der Potsdamer Mitte soll das historische Stadtbild behutsam wiederhergestellt werden. Das beschloss schon drei Wochen nach der Wiedervereinigung die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Vieles davon ist bis heute umgesetzt worden: Das Stadtschloss ist wiederaufgebaut und beherbergt den Landtag, während der DDR-Bau der Fachhochschule abgerissen wurde. Restauratoren befreiten die Nikolaikirche und das alte Rathaus schon vor 1990 von Kriegsschäden.
Im Streit um den Erhalt von DDR-Gebäuden und den Wiederaufbau des historischen Ensembles stehen sich unterschiedlichste Gruppen mit verschiedenen Anliegen gegenüber: Die Bürgerinitiative „Mitteschön!“ setzt sich für die Wiederherstellung des barocken Stadtensembles ein, die Bürgerinitiative „Potsdamer Mitte neu denken“ startete 2016 ein Bürgerbegehren gegen den „Ausverkauf“ der Potsdamer Mitte, eine weitere Bürgerinitiative will den (Weiter)Bau der Garnisonkirche verhindern, wohlhabende Prominente wie Günter Jauch oder Hasso Plattner ermöglichen den Wiederaufbau von Gebäuden mitgroßzügigen Spenden, Geringverdienende und Rentner wollen ihre günstigen Mieten im Staudenhof behalten und Kreative und Studierende fühlen sich aus der Stadtmitte verdrängt.
Beim Zankapfel Garnisonkirche spielt neben dem Barock der Fassade und dem drohenden Abriss des DDR-Rechenzentrums auch noch der Nationalsozialismus eine Rolle: Als Kulisse des „Tages von Potsdam“, wo sich Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Hitler 1933 die Hände reichten, ist ihr Wiederaufbau umstritten.
Sozialistische Moderne trifft Brandenburger Zukunft
Während in Potsdam und in den berlinnahen Gebieten Wohnungen ein knappes Gut sind, muss Eisenhüttenstadt den Leerstand verwalten. 1950 hatte die SED entschieden, dort ein Stahlwerk mit Wohnstadt zu bauen.Die Stadt wurde nach 1945 völlig neu gegründet. Bis zur Wende war Eisenhüttenstadt stetig gewachsen und musste immer neue Wohnungen bauen. Von den 50.000 Menschen im Jahr 1990 wohnt heute nur noch die Hälfte dort. Im namensgebenden Stahlwerk arbeiten statt 12.000 nur noch 2.500 Beschäftigte.
Große Teile der „ersten sozialistischen Stadt Deutschlands“ stehen heute unter Denkmalschutz und bilden das größte deutsche Flächendenkmal. Trotzdem soll Eisenhüttenstadt auch für die heutigen Bedürfnisse lebenswert gestaltet werden. Obwohl die Wohnlage am Stadtrand beliebter war als die renovierungsbedürftigen Gebäude in der Stadtmitte, entschloss sich die Stadt, ihren denkmalgeschützten Kern zu erhalten. Bis 2015 riss sie über 6.200 Wohnungen ab und gab Flächen für Einfamilienhäuser frei. In der Innenstadt wurde saniert und Wohnraum mit Aufzügen, Balkonen und neuen Grundrissen aufgewertet.
Geld erhält die Stadt dafür aus dem Förderprogramm „Stadtumbau Ost“. Der Bund und das Land geben Geld, damit die ostdeutschen Städte sich an die verändernde Bevölkerungsstruktur anpassen können und wieder attraktiver werden. Für das Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ waren die Häuser noch zu jung.
BLPB, September 2020
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