Mit Strukturwandel ist eine dauerhafte und grundlegende Veränderung der Wirtschaft gemeint. In der Lausitz sollen die Menschen mitentscheiden, wohin sich ihre Region entwickelt, sie soll der Europäischen Union als Modellregion für Strukturwandel dienen.
Mit Strukturwandel ist eine dauerhafte und grundlegende Veränderung der Wirtschaft gemeint. So drängte nach der Wiedervereinigung der Dienstleistungssektor in Brandenburg die Schwerindustrie zurück. Dazu verändert die Digitalisierung alle Wirtschaftsbereiche nachhaltig. Dem Klimawandel und dem Artensterben versuchen Bundes- und Landesregierung mit einem gezielten Umbau der Wirtschaft beizukommen: Der Verkehr soll weniger Abgase ausstoßen, die Landwirtschaft auf Dünger und Insektenvernichtungsmittel verzichten und der Energiesektor erneuerbare Energien bereitstellen.
In der Lausitz sind die wichtigsten Wirtschaftszweige derzeit der Braunkohletagebau, die Energieerzeugung, die Stahl- und chemische Industrie sowie der Maschinenbau. Deutschland will jedoch aus der Kohleverstromung aussteigen. Um den Strukturwandel nachhaltig zu gestalten und neue Wirtschaftszweige aufzubauen, investiert der Bund bis 2038 über 10 Milliarden Euro in die Brandenburger Lausitz. Damit sollen Wissenschaft, Bildung und Kultur gefördert werden. In allen deutschen Kohleregionen sollen in den nächsten zehn Jahren tausende Arbeitsplätzen durch die Ansiedlung von Behörden des Bundes und der Länder sowie neuer Forschungseinrichtungen geschaffen werden.
In der Lausitz sollen die Menschen mitentscheiden, wohin sich ihre Region entwickelt. In Bürgerdialogen und Online-Befragungen konnten sie ihre Vorstellungen von der Zukunft der Region entwickeln. In die bisherige Gesetzgebung ist aber nur das Zukunftskonzept eines Wirtschaftsforschungsunternehmens eingeflossen. Ob und wie die Menschen in der Lausitz über die Verteilung der Fördergelder mitbestimmen können, ist noch nicht entschieden.
Leben mit und von der Kohle
„Gott hat die Lausitz geschaffen, aber der Teufel hat die Kohle daruntergelegt.“ Dieses sorbische Sprichwort macht die zwiespältige Beziehung der dort lebenden Menschen zur Kohle deutlich: Einerseits bescherte die Kohle der Lausitz gutbezahlte Arbeit und stiftete Identität, andererseits zerstört ihr Abbau die Landschaft.
In einer Welt, in der Energie Wachstumsmotor ist, scheinen die Aussichten für das schrumpfende Brandenburg rosig. Das dünnbesiedelte Land bietet viel Platz für Windräder, Solaranlagen und Biomasseproduktion. Die Tage der Braunkohle sind gezählt.
Während die Kohle im Ruhrgebiet schon seit dem 13. Jahrhundert unter Tage abgebaut wird, ist die Lausitz noch eine junge Kohleregion. Ende des 19. Jahrhunderts begann dort der Tagebau. Insgesamt 137 Lausitzer Orte wurden seit 1924 für den Braunkohlebergbau ganz oder teilweise abgebaggert. Über 25.000 Menschen mussten ihre Dörfer verlassen. In Forst erinnert das „Archiv der verschwundenen Orte“ an die Umsiedlungen. Proschim war das letzte Brandenburger Dorf, das vom Abbruch bedroht war. Im Koalitionsvertrag beschloss die Regierung aus CDU, SPD und Grünen aber, dass keine neuen Tagebaue entstehen sollen.
Heute arbeiten 4.500 Brandenburgerinnen und Brandenburger in der Braunkohlewirtschaft. Sie brauchen in den nächsten Jahren gleichwertige Arbeitsplätze, wenn Deutschland aus der Braunkohleverstromung aussteigt. Werden immer mehr Gruben in Seen umgewandelt, stärkt das den Tourismus. Die Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet zeigen aber auch, dass die Auswirkungen des Bergbaus auf die Umwelt noch viele Generationen beschäftigen werden.
Neue Strukturen schaffen
Kohle zukünftig nicht mehr in Strom umzuwandeln, ist eine politische Entscheidung. Weil damit einer der größten privaten Arbeitgeber ausfällt, brauchen die Braunkohleregionen Hilfe, um neue Strukturen aufzubauen. Diese sollen nicht nur umweltfreundlich sein und ein vergleichbares Einkommen ermöglichen, sondern sich auch an die Menschen richten, die heute in der Lausitz leben.
Weil diese Erfahrung in der Energiewirtschaft und dem Maschinenbau haben, durch den Kohleausstieg aber erneuerbare Energien gebraucht werden, liegt es nahe, sie zum neuen Geschäftsmodell zu machen. Hoffnungsträger ist der Wasserstoff, der mit Wind- oder Solarenergie umweltfreundlich hergestellt werden und dann als abgasfreier Treibstoff für Autos oder Flugzeuge dienen kann. Die Maßnahmen sollen aus Mitteln vom Bund und der Europäischen Union finanziert werden.
Der Kohleausstieg ist schon der zweite Strukturwandel, dem sich die Region innerhalb von dreißig Jahren stellen muss. Nach der Wiedervereinigung verloren 90 Prozent der Arbeitskräfte der Lausitzer Kohlewirtschaft ihre Jobs. Knapp jeder Fünfte verließ die Lausitz. Zukunftsprojekte wie der Bau von Luftschiffen durch Cargolifter oder die Ansiedlung der Solarwirtschaft in Frankfurt (Oder) waren nicht von Dauer. Umso größer ist der Druck nun die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, zumal die Lausitz der Europäischen Union auch als Modellregion für den Strukturwandel dienen soll.
BLPB, September 2020
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