Kommunen sind in eine Vielzahl von Gesetzen, Vorschriften und Normen in Europa, im Bund und Land eingebunden. Es ist fast unmöglich, alle gleichermaßen in der kommunalen Praxis zu berücksichtigen, auch weil es oft Änderungen gibt. Deshalb ist es wichtig, dass Kommunen einen bestimmten Spielraum bei der Durchführung ihrer Aufgaben haben.
Überblick:
Das Wichtigste zuerst - die Kommunalverfassung
Am 18. Dezember 2007 hat der Landtag eine neue Kommunalverfassung für Brandenburg beschlossen. Die Verfassung trat am 28. September 2008, am Tag der Kommunalwahlen, in Kraft. Sie ist seitdem mehrmals geändert worden. Erläuterungen zur Verfassung gibt es in diesem Rundschreiben des Ministeriums des Innern.
Die Kommunalverfassung ist das wichtigste Gesetz für die kommunale Ebene in Brandenburg. Sie regelt den Aufbau der Gemeinden, bestimmt, was eine kreisfreie Stadt, ein Ortsteil oder ein Landkreis ist, legt ihre Aufgaben und die Stellung von Bürgermeistern fest, regelt Zuständigkeiten, Aufsichts- und Prüfverfahren sowie rechtliche, hauswirtschaftliche und finanzielle Grundsätze.
Die Zuständigkeiten der kommunalen Vertretungen sind in der Kommunalverfassung festgeschrieben: § 28 gilt für Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen, § 46 für die Ortsbeiräte, §122 betrifft die Landkreisebene und § 131 regelt, dass die Rechtsvorschriften für die Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen auch für die Kreistage gelten.
Das heißt im Grundsatz: Egal, ob in der Gemeinde, Stadtverordnetenversammlung oder im Kreistag, unsere kommunalen Vertretungen arbeiten alle nach den gleichen Regeln.
Unsere Kommunalverfassung gliedert sich in vier Hauptteile mit insgesamt 141 Paragraphen. Aus der Gliederung wird zugleich die Struktur der kommunalen Verwaltung Brandenburgs deutlich: Gemeinde - Landkreis - Amt.
- Teil 1 Die Gemeinde
Dieser Teil ist mit 121 Paragraphen am umfangreichsten.
Das steht drin:
- Begriff der Gemeinde und des Gemeindegebiets
- Bildung von Ortsteilen
- Unterschied zwischen Bürgern und Einwohnern, ihre Rechte und Pflichten (zum Beispiel Wahlrecht, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide)
- Zusammensetzung und Aufgaben der Gemeindevertretungen
- Stellung und Zuständigkeiten von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Bürgermeistern sowie Beigeordneten und anderen Gemeindebediensteten
- allgemeine Haushalts- und Vermögensgrundsätze, Prüfungs- und Aufsichtsverfahren sowie Rahmen für die wirtschaftliche Tätigkeit von Gemeinden (zum Beispiel, wenn die Gemeinde selbst Unternehmen gründet)
- Teil 2 Der Landkreis
Der zweite Teil umfasst 11 Paragraphen.
Das steht drin:
- Gebiet und Aufgaben eines Landkreises
- rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen des Kreises
- Stellung und Aufgaben des Landrats
- Teil 3 Das Amt
Der dritte Teil enthält 8 Paragraphen.
Das steht drin:
- Stellung, Bildung, Struktur und Aufgaben von Ämtern
- Zusammensetzung und Arbeitsweise von Amtsausschüssen
- Stellung und Aufgaben des Amtsdirektors
- rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen im Verhältnis zu den zugehörigen Gemeinden
- Teil 4 Übergangsrecht
Der letzte Teil umfasst einen Paragraphen.
Das steht drin:
- wann nach einer Änderung der Kommunalverfassung die neuen Vorschriften in Kraft treten (Übergangsregelungen).
Kommunen, Staat und Europa
Trotz der im Grundgesetz garantierten Selbstverwaltung sind Kommunen an das Recht und die Gesetze des Bundes und der Länder gebunden. Die Kommunalverfassung Brandenburgs schränkt die Rechte der Kommunen deutlich ein. So kann das Land zum Beispiel auch kommunale Gebietsveränderungen vornehmen.
Auf europäischer Ebene sind EU-Mittel für die Kommunen sehr willkommen. Die europaweite Zusammenarbeit von Kommunen wird aber durch europäisches Recht beeinträchtigt. Beispielsweise ist der Spielraum für Wirtschaftsunternehmungen der Kommunen (Wettbewerbsrecht) eingeschränkt. Aus kommunaler Sicht wäre daher eine EU-Verfassung wünschenswert. Anders als bisher wäre die kommunale Selbstverwaltung dann auch fest auf europäischer Ebene verankert.
Die verschiedenen Ebenen sind miteinander verbunden, so dass die Rechtsetzung der Europäischen Union (EU) nach ihrer Umsetzung auf Bundes- und von dort auf Länderebene auch das Leben der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen beeinflusst.
Einen großen Einfluss auf das kommunale Handeln üben zudem die Gerichte aus. Durch die laufende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, des Bundesverfassungsgerichts, des Landesverfassungsgerichts und weiterer Gerichte auf den unterschiedlichen staatlichen Ebenen werden die Möglichkeiten der Kommunen entweder vergrößert oder eingeschränkt.
Europäisches Recht
Für die Kommunalpolitik von Bedeutung sind zum Beispiel die Wahlvorschriften der EU. So haben alle EU-Bürger das Recht, zu Kommunalwahlen zu wählen und in kommunale Vertretungen gewählt zu werden. Beispiele aus der kommunalen Praxis sind Bauplanungen und die Ausweisung von Gewerbegebieten, bei denen Umweltschutzbestimmungen der EU zu beachten sind.
Kommunalverwaltungen müssen Aufträge, deren Wert 200.000 Euro überschreitet, europaweit ausschreiben. Im Finanzsektor gelten für Sparkassen in Deutschland Sonderregelungen im Vergleich zu privaten Banken. Die Kenntnis über europarechtliche Regelungen stellt Anforderungen an die Gemeindevertreter ebenso wie an die Leitung und den Mitarbeiterstab in den kommunalen Verwaltungen.
Verfassungsrecht
Das Grundgesetz der Bundesrepublik (GG) bildet den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Ausgestaltung des Kommunalrechts. Artikel 28 Abs. 2 GG garantiert die kommunale Selbstverwaltung und mit ihm verschiedene Rechte (Hoheitsrechte).
- Gebietshoheit
Gebietshoheit bedeutet, dass alle Personen und Gegenstände im Gemeindegebiet der Hoheit der Gemeinde unterliegen. Diese Hoheit nimmt die Gemeinde gegenüber allen Personen wahr, die in der Gemeinde leben.
Somit sind alle Personen und Sachen im Gemeindegebiet den Satzungen der Gemeinde unterworfen.- Organisations- und Personalhoheit
Die Organisationshoheit gibt den Gemeinde das Recht zur Gestaltung ihrer Verwaltungsorganisation nach ihrem eigenen Ermessen. Allerdings hat sich in der Praxis eine zunehmende Angleichung der Verwaltungsstrukturen herausgebildet. Ferner kann die Organisationshoheit durch Gesetz beschränkt werden, wobei den Gemeinden ein hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Ausgestaltung verbleiben muss.
Die Gemeinde hat das Recht, ihre Gemeindebediensteten auszuwählen, anzustellen zu befördern und zu entlassen (im Rahmen der Tarifverträge und Gesetze). Dafür stellt die Gemeinde einen Stellenplan auf, der Anhang der Haushaltssatzung ist.
- Satzungshoheit
Die Gemeinde haben das Recht, eigene Angelegenheiten durch Satzungen zu regeln und können somit eigenes „Gemeinderecht“ setzen. Die Satzungen werden von den Gemeindevertretungen beschlossen und von der Kommunalaufsicht geprüft.
Die zunehmende Regelungsdichte setzt der Satzungshoheit in der Praxis enge Grenzen, denn das vorrangige Europa-/ Bundes- und Landesrecht verdrängt Satzungen, soweit sich deren Regelungsgegenstände widersprechen.- Planungshoheit
Sie umfasst die Befugnis der Gemeinde, in eigener Verantwortung die städtebauliche Entwicklung durch Bauleitpläne sowie die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen zu ordnen. Gemeinden können somit auch öffentliche Einrichtungen für die Einwohner projektieren und andererseits auch Gemeindeflächen bewusst unbeplant lassen.
- Finanzhoheit
Sie umfasst die Befugnis der Gemeinden zu einer eigenverantwortlichen Einnahme- und Ausgabewirtschaft im Rahmen des gesetzlich geordneten Haushaltswesens. Somit steht die Finanzhoheit zwar unter einem Gesetzesvorbehalt; jedoch darf die Finanzausstattung selbst nicht in Frage gestellt werden und Einschränkungen dieser Freiheit sollen verhindert werden (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG).
Nach der Rechtssprechung des Brandenburgischen Verfassungsgerichtes haben die Gemeinden einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung.- Kulturhoheit
Sie umfasst die Befugnis der Gemeinden, kulturelle Angebote in ihrem Geschäftsbereich zu fördern. Zu den Aufgaben der Kommunen gehört es, der Einwohnerschaft Zugang zu Kulturgütern zu ermöglichen. Eine Besonderheit in den Kommunen in Brandenburg sind dabei die Bestimmungen zu den Gebieten der Sorben/ Wenden. In deren angestammtem Siedlungsgebiet müssen die Gemeinden zusätzlich die sorbische/wendische Kultur und Sprache im Rahmen des Sorben/Wenden-Gesetzes fördern. (§ 2 Brandenburgische Kommunalverfassung)
Bundesrecht
Die Kommunen sind Bestandteil der Länder, daher ist auch das Land für die Regelung des Kommunalrechts zuständig. Da die Kommunen in Ausnahmefällen aber auch Gesetze ausführen müssen, die der Bund erlassen hat (Annexkompetenz), sind bestimmte Regelungen von Bedeutung. Zum Beispiel:
Die Zurechnung der Kosten erfolgt nach dem Konnexitätsprinzip.
Landesrecht
Die Bundesländer geben den gesetzlichen Rahmen für die Ausgestaltung des Kommunalrechts vor. Für Brandenburg sind dies folgende Gesetze:
Dazu kommen vielfältige Fachgesetze für die verschiedenen kommunalen Aufgabengebiete.
Welche Unterschiede zwischen den Bundesländern daraus resultieren, zeigen die abweichenden Regelungen in den Kommunalwahlgesetzen.
Staatliche Aufsicht
Kommunen erfüllen ihre Aufgaben unter staatlicher Aufsicht. Diese ist Sache des jeweiligen Bundeslandes. Der Bund hat kein unmittelbares Aufsichtsrecht. In Brandenburg wird die Aufsicht über die Kommunen vom Ministerium des Innern und für Kommunales ausgeübt.
Die staatliche Aufsicht kann in Rechtsaufsicht und Fachaufsicht gegliedert werden.
- Die Rechtsaufsicht stellt sicher, dass die Kommunen sich an Recht und Gesetz halten.
- Die Fachaufsicht umfasst grundsätzlich auch die Rechtsaufsicht, geht aber noch darüber hinaus. Mit der Fachaufsicht kontrolliert das Land, ob die Kommune bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen von Land übertragen wurden (Auftragsangelegenheiten und Weisungsaufgaben) zweckmäßig handelt.
Ortsrecht (Satzungsrecht)
Die Kommunen führen Gesetze aus. Gesetze beschließen dürfen sie nicht. Dennoch können sie wichtige Sachverhalte allgemein und verbindlich regeln. Dazu erlassen Kommunen Satzungen unterhalb der Ebene der Gesetze. Abgeleitet aus Artikel 28 Abs. 2 GG haben sie die Rechtsetzungsbefugnis im eigenen Wirkungsbereich. Dieses Satzungsrecht ist ein wichtiges Merkmal der Selbstverwaltung der Kommunen. Satzungen setzen Recht für den eigenen Wirkungsbereich (§§ 5 und 6 GO Bbg).
In Satzungen werden zum Beispiel die Höhe von Gebühren bestimmt, Werbung in der Kommune erlaubt oder verboten und die Höhe kommunaler Steuern festgelegt. Zu den wichtigsten Satzungen einer Kommune zählen:
- die Haushaltssatzung. Sie bestimmt die Haushaltsgrundsätze der Kommune.
- die Hauptsatzung. Sie regelt die innere Ordnung der Kommune entsprechend der Vorgaben der Kommunalverfassung. Die Hauptsatzung ist der Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen und kann von dieser auch abgelehnt werden.
- Beispiele kommunaler Satzungen
- Allgemeine Gebührensatzung
- Hundesteuersatzung
- Vergnügungssteuersatzung
- Satzung für die Durchführung des Wochenmarktes
- Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme von Standplatz auf dem Wochenmarkt in Premnitz
- Benutzungsgebührensatzung für die Stadtbibliothek
- Schulbezirkssatzung
- Friedhofsgebührensatzung
- Satzung über den Kostenersatz und die Gebührenerhebung für Leistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt
- Satzung über die Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten an der Betreuung ihres Kindes in einer kommunalen Kindertagesstätte
- Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135a-135c BauGB
- Satzung über die Erhebung der Erschließungsbeiträge in der Stadt Premnitz
- Straßenausbaubeitragssatzung
- Recht auf Einsicht
Bürgerinnen und Bürger dürfen Einsicht in die Satzungen ihrer Gemeinde verlangen und gegen eine Kostenerstattung auch Kopien anfordern. Viele Kommunen veröffentlichen die Satzungen auch im Internet.
Verwaltung
Die Bürgermeister/- innen leiten die Gemeindeverwaltung. Die Verwaltung setzt die Beschlüsse der Gemeindevertretung um.
Zwischen Ermessen und Rechtsbruch
Das Spannungsverhältnis zwischen mutig unbürokratischer Entscheidung und offenem Rechtsbruch gehört zu den täglichen Anforderungen an die Leiter der Gemeindeverwaltungen.
Ein guter und erfolgreicher Bürgermeister/Landrat/Amtsdirektor entwickelt ein Gespür dafür, wo es wichtig ist, auch einmal Risiken einzugehen und schnell zu entscheiden. Er oder sie weiß aber auch, wo er und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung Grenzen nicht überschreiten dürfen, auch wenn es Verwaltungsvorgänge oder Problemlösungen scheinbar beschleunigen würde.
Dies gilt immer, wenn es um den Schutz von Minderheiten, Diskriminierung, die Verhinderung von Korruption, den allgemeinen und gleichberechtigten Zugangs zu öffentlichen Leistungen und den dauerhaften Schutz der Umwelt geht.
Bürgermeister/-innen
Sie stehen an der Spitze der Gemeinde, in Städten der Stadtverordnetenversammlung. Ob sie ehrenamtlich oder hauptamtlich tätig sind, hängt vom Status der Gemeinde ab.
Unbürokratisch entscheiden
Die Kommunen haben einen bestimmten Spielraum bei der Durchführung ihrer Aufgaben. Das ist wichtig, weil die große Anzahl von Gesetzen, Vorschriften und Normen es schwierig macht, alle gleichermaßen in der kommunalen Praxis zu berücksichtigen. Zudem gibt es eine ständige und teilweise wechselnde Rechtsprechung zu einigen Themen.
In bestimmten Situationen muss aber schnell und unbürokratisch entschieden werden. Dies gilt vor allem, wenn durch das Ausnutzen von Entscheidungs- und Ermessensspielräumen Vorteile für die kommunale Entwicklung erlangt werden können.
Für manche Projekte gibt es zum Beispiel nur ganz kurz geöffnete Zeitfenster. Würde in diesem Fall der Instanzenweg eingehalten, könnte es schon zu spät sein.
Auch in der Arbeit der kommunalen Vertretung kann es Situationen geben, in denen durch eine allgemeine Absprache schnell gehandelt und entschieden wird. Dies kann durchaus im Sinne der Kommune und der Einwohnerschaft sein.
Gemeindevertretung
Die Mitglieder der Gemeindevertretung bestimmen u.a. , wie viel Geld die Kommune in welchen Bereichen ausgibt.
BLPB, November 2019
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