Haben Sie schon mal ein Bundesland gegründet? Diejenigen, die 1989/90 an der Neugründung beteiligt waren, hätten diese Frage wohl verneint. Nichtsdestotrotz gab es viel zu entscheiden: Wer sollte es regieren und wie das Zusammenleben gestaltet werden?
Viele Entscheidungen
Haben Sie schon mal ein Bundesland gegründet? Diejenigen, die 1989/90 an der Neugründung beteiligt waren, hätten diese Frage wohl verneint. Nichtsdestotrotz gab es viel zu entscheiden: Grenzen mussten festgelegt werden, denn sie bestimmten, wer Bürgerin und Bürger dieses Landes sein würde. Wer sollte es regieren und wie das Zusammenleben gestaltet werden? Umbau, Aufbau, Verfassung – all diese Entscheidungen bilden bis heute eine stabile Basis für das Leben in Brandenburg.
1990 entstand Brandenburg als eins von fünf neuen Bundesländern. Das war wichtiger Schritt zur Überwindung der deutschen Teilung nach 1945. 1947 hatte die sowjetische Besatzungsmacht in ihrem Teil Deutschlandes die fünf Länder Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen gebildet.
Als Folge der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg entwickelten sich zwei deutsche Staaten. Berlin wurde geteilt. Im Westen Deutschlands entstand die Bundesrepublik Deutschland (BRD), im Osten die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Brandenburg war Teil der DDR. 1952 löste diese die Länder auf und bildete 14 Bezirke. Brandenburg ging im Wesentlichen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt/Oder und Potsdam auf.
Im 40. Jahr nach ihrer Gründung geriet die DDR 1989 politisch und wirtschaftlich an ihre Grenzen. Bürgerproteste und die Flucht von immer mehr Menschen in Richtung Bundesrepublik erhöhten zusätzlich den Druck auf die Regierung. Die Grenzöffnung zwischen Ost-und Westberlin am 9. November 1989 ist ein Symbol für den Beginn vom Ende der deutschen Teilung.
Neben politischen Veränderungen in der DDR forderten die Bürgerinnen und Bürger auch die deutsche Wiedervereinigung. Freie Wahlen, in der DDR bis dahin unbekannt, ebneten den Weg. Am 18. März 1990 wählten sie die Volkskammer, das ostdeutsche Parlament.
Diese stellte am 22. Juli 1990 mit dem Ländereinführungsgesetz die Länder ohne Ostberlin wieder her. Am 3. Oktober 1990 lösten die neu gegründeten ostdeutschen Länder zuerst die DDR auf und traten dann gemeinsam der Bundesrepublik Deutschland bei. Damit gehörten sie auch zur Europäischen Union. Nach den Landtagswahlen am 14. Oktober 1990 wurden die neuen Bundesländer auch politisch handlungsfähig.
Wie holt man Brandenburg in die Köpfe zurück?
Ein Bundesland ist mehr als nur eine Verwaltungseinheit. Es lebt davon, dass seine Bürgerinnen und Bürger es anerkennen, sich ihm zugehörig fühlen und sich dort einbringen wollen. Viele besannen sich am Ende der DDR auf die 1952 aufgelösten Länder und forderten ihre Neugründung. Welche Rolle das Zugehörigkeitsgefühl zu Brandenburg spielte, erkannte auch Manfred Stolpe, der von 1990 bis 2002 erster Ministerpräsident Brandenburgs war:
„Als ich Ministerpräsident wurde, war mir klar: Man muss dieses Brandenburg wieder lebendig machen, man muss es in die Köpfe zurückholen.“
Wenn nach 38 Jahren ein Land wiedergegründet wird, braucht es bestimmte Hoheitszeichen wie eine Flagge, ein Wappen oder eine Verfassung und festgelegte Grenzen. Da diese Symbole alle Bürgerinnen und Bürger betreffen, geben sie immer wieder Anlass für leidenschaftliche Debatten.
Brandenburg hat dabei mit der Zeit einige Besonderheiten entwickelt. So steht der „Brandenburger Weg“ für eine politische Praxis, die sich nach 1990 im Land Brandenburg entwickelte. Das Ideal war eine an Lösungen orientierte Politik. Das bedeutete, dass die Sachpolitik immer vor der Parteipolitik stehen sollte.
Die CDU wollte das Krankenhaus sanieren und ausbauen und die SPD das erste ostdeutsche Gymnasium aufbauen: der „Brandenburger Weg“ als gelebte Praxis.
Vier Schritte für ein neues Bundesland
- Eine Hymne auswählen
- Eine Flagge hissen
- Eine Verfassung beschließen
- Grenzen ziehen
Die Grenzen legen fest, wo die Entscheidungen der Landesregierung gelten und wer Bürgerin und Bürger des Bundeslandes ist. Schon im Mai 1990 wurden die Kreisgrenzen als Grundlage für die Kommunalwahlen festgelegt. Sie entstanden also noch vor der Neugründung des Landes Brandenburg. An einigen Stellen stimmten die Kreisgrenzen nicht mit der späteren Landesgrenze überein.
In 15 Landkreisen stellte sich daher die Frage, zu welchem Bundesland der Kreis gehören sollte. Einerseits wollte man die Bevölkerung in die Entscheidung einbeziehen, andererseits waren zu diesem Zweck gerade die Kreistage als Entscheidungsgremien geschaffen und demokratisch gewählt worden. Man entschied also, die Bevölkerung unverbindlich zu befragen, das letzte Wort hatten aber die Kreistage. Das führte zu Debatten in den betroffenen Kreisen, weil einige Kreistage anders als die Bürger entschieden – in Senftenberg sogar nur mit einer Stimme Mehrheit.
Volksabstimmungen waren schwer mit dem Aufbau einer repräsentativen Demokratie zu vereinbaren. In der Gemeinde Dambeck boykottierten alle Wahlberechtigen bis auf fünf die Brandenburger Landtagswahl 1990, weil sie sich Mecklenburg-Vorpommern zugehörig fühlten.
Im Kreis Senftenberg führte die Volksbefragung im Juli 1990 zu Spannungen. So bemalten Einwohnerinnen und Einwohner die Ortsschilder von Guteborn mit den brandenburgischen Landesfarben, während Schwarzheide die sächsischen Farben zeigte. In der Niederlausitz, die erst 1815 zu Preußen kam, stellte sich damit nicht zum ersten Mal die Frage der Zugehörigkeit.
Seine heutigen Grenzen erhielt Brandenburg 1992, nachdem es sich mit Mecklenburg-Vorpommern über den Tausch von Gebieten an der Landesgrenze geeinigt hatte.
1989/90 war das Jahr der Montagsdemos, der DDR-Grenzöffnung, der tanzenden Menschen auf der Berliner Mauer und der Runden Tische. Wer sind die Menschen, die den Neuanfang auf den Weg gebracht haben?
Berlin und Brandenburg: Besser gemeinsam?
Bei der Gründung der neuen Bundesländer 1990 entstand die Idee einer Fusion von Berlin und Brandenburg. Schon einmal war in der Bundesrepublik solch ein Zusammenschluss gelungen. Das Vorhaben scheiterte am brandenburgischen Wählerwillen: 62,7 Prozent stimmten in Brandenburg gegen eine Fusion. Sie sahen die Berliner Schuldenlast kritisch und befürchteten, von der Hauptstadt nicht als gleichberechtigte Partner behandelt zu werden.
Mehr unter Kompakt erklärt: Länderfusion
BLPB, September 2020
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