In Brandenburg liegt der Anteil der Sorben/Wenden an der Gesamtbevölkerung unter einem Prozent. Dennoch sind sie landesweit bekannt. Nicht zuletzt durch ihre reiche Folklore und Mythologie. Doch das ist nicht alles. Ein Blick auf eine quirlige Minderheit.
Das sorbische-wendische Volk lebt ausschließlich in Deutschland, und zwar in der Oberlausitz (Freistaat Sachsen) und der Niederlausitz (Land Brandenburg). Neben der Bezeichnung Sorben wird vor allem in Brandenburg auch der ältere Begriff „Wenden“ verwendet. Dieser geht auf römische Geschichtsschreiber zurück, die unbekannte Stämme im Osten mit dem Begriff „Veneti“ bezeichneten, woraus später im Deutschen der Begriff „Wenden“ wurde.
Seit der grundlegenden Neufassung des Sorben/Wenden-Gesetzes im Jahr 2014 ist "Sorben/Wenden" die offizielle Bezeichnung für diese nationale Minderheit in Brandenburg. Beide Begriffe - Sorben und Wenden - werden gleichberechtigt nebeneinander gebraucht.
Geschichte
Die Vorfahren der heutigen Sorben/Wenden, ursprünglich slawische Stämme nordöstlich der Karpaten, kamen vor rund 1500 Jahren in das Gebiet zwischen Ostsee und Erzgebirge. In der Ober- und Niederlausitz konnte das Volk seine kulturelle Eigenart über die Jahrhunderte zum Teil bewahren und entwickeln – unterbrochen u. a. durch die Politik der Nationalsozialisten im Dritten Reich.
In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts nach Christus verließen slawische Stämme im Zuge der Völkerwanderung ihre Heimat nordöstlich der Karpaten, zogen nach Westen und siedelten sich in einem unbewohnten Gebiet von etwa 40.000 Quadratkilometern zwischen Ostsee und Erzgebirge an. Seitdem lebten die Sorben/Wenden (obersorbisch Serbja, niedersorbisch Sorby) im Gebiet zwischen Saale und Neiße. Im Mittelalter kamen die Gebiete unter deutsche Herrschaft und es folgte eine Christianisierung der Sorben/Wenden. Ab dem 11. Jahrhundert kam es darüber hinaus zu einer weitgehenden Assimilierung. Lediglich in der Ober- und der Niederlausitz konnten sie ihre kulturelle Eigenart zum Großteil bewahren und weiter entwickeln.
Dafür war die Reformation mit ihrem nicht weit von der Lausitz entfernten Zentrum Wittenberg von großer Bedeutung. Sie stellte unter anderen Predigt und Gemeindegesang in den Vordergrund. In dessen Folge erhielt das sorbische-wendische Volk eine Schriftsprache. Sorbische Pfarrer und Lehrer wurden zu Trägern einer nationalen Identität und schufen eine sorbische-wendische Literatur.
Er gilt daher noch heute als Schutzpatron der sorbischen Landbevölkerung. Den Stoff hat der sorbische Dichter Jurij Brězan in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu drei Romanen verarbeitet.
Industrialisierung drängt Sorben-/Wendentum zurück
Im frühen 19. Jahrhundert sorgten dann vor allem sorbische Gelehrte, Vereine, Volksschulunterricht und Gottesdienst in sorbischer-wendischer Sprache sowie sorbische Bücher und Zeitschriften für die Pflege und Bewahrung der kulturellen Identität. Zugleich war diese bedroht. Die Sorben/Wenden wohnten vorwiegend in Dörfern, die kaum am industriellen Aufschwung Teil hatten. Viele Sorben/Wenden wanderten ab in Industrieregionen und Städte, häufig verbunden mit einem Verlust der sorbischen-wendischen Identität. Diese Entwicklung wurde verstärkt durch eine aktive Politik zur Beseitigung dieser nationalen Identität vor allem während des nationalsozialistischen Dritten Reichs. Die Maßnahmen der Nationalsozialisten richteten sich besonders gegen sorbische-wendische Pfarrer, Lehrer, das Vereinswesen und die Presse.
Seinerzeit förderte die DDR die Eigenständigkeit der Sorben/Wenden im kulturellen, schulischen und wissenschaftlichen Bereich, z. B. mit Anordnungen zur Bewahrung der sorbischen Identität oder dem Aufstellen zweisprachiger Orts- und Straßenschilder. Die Industrialisierung in der Nieder- und Oberlausitz führte jedoch zu einem Zustrom der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung, wodurch die Sorben/Wenden in dem Gebiet bald in der Unterzahl waren.
Seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 erfährt das sorbische-wendische Volk einen besonderen Schutz. Neben der Protokollnotiz zum Einigungsvertrag garantieren diesen auch das im Jahr 1994 verabschiedete und 2014 novellierte brandenburgische Sorben/Wenden-Gesetz sowie das sächsische Sorbengesetz aus dem Jahr 1999.
Minderheitenrechte in Brandenburg
Die Verfassung des Landes Brandenburg garantiert den Sorben/Wenden in Art. 25 das Recht auf Schutz, Erhalt und Pflege ihrer nationalen Identität, des angestammten Siedlungsgebietes, der kulturellen Eigenständigkeit sowie das Recht auf eine wirksame politische Mitgestaltung. Zudem verpflichtet sich das Land zum Schutz und zur Förderung der sorbischen Sprache und Kultur.
Im Jahr 1994 verabschiedete das Land Brandenburg das Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden (SWG) im Land Brandenburg. Darin werden die Bekenntnisfreiheit, die Anerkennung der Sorben/Wenden als gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes sowie der Schutz ihres Siedlungsgebiets bestimmt. Auf Grund des Gesetzes bestehen in Brandenburg der "Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden" und der/die Beauftragte für Angelegenheiten der Sorben/Wenden bei den Kommunen im sorbischen Siedlungsgebiet. Schließlich werden der Schutz und die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur dadurch gesetzlich zugesichert. Nach der Verfassungsnovelle 2013 und SWG-Novelle 2014 ist in offiziellen Texten auch die Schreibweise Sorben/Wenden für das sorbische-wendische Volk verpflichtend.
Das Landeswahlgesetz Brandenburgs enthält dem Bundestagswahlrecht entsprechende Privilegierungen der Parteien nationaler Minderheiten. Das heißt, die sogenannte Fünfprozentklausel, nach der bei Landtagswahlen nur die Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten oder die in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen haben, gilt für die Parteien der nationalen Minderheit der Sorben/Wenden nicht.
Sorbisches-wendisches Leben
Der politisch-kulturelle Dachverband der Sorben/Wenden, die Domowina, stützt sich auf eine hundertjährige Tradition. In Schulen wird zunehmend zweisprachiger Unterricht angeboten. An der Spitze des Freistaats Sachsen steht seit 2008 mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich zum ersten Mal ein Sorbe. Die Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. mit Sitz in Bautzen ist der politisch unabhängige Dachverband sorbischer-wendischer Vereinigungen. Er umfasst fünf Regionalvereinigungen und zahlreiche Fachverbände kultureller, sprachlicher, beruflicher oder religiöser Ausrichtung.
Dachverband der Sorben
Die Domowina war vor 100 Jahren, am 13. Oktober 1912, in Hoyerswerda als Dachverband der Sorben gegründet worden. Im Jahr 1937 wurde sie faktisch verboten und enteignet, am 10. Mai 1945 in Crostwitz neu gegründet. Nach der Wiedervereinigung mündete ein Erneuerungsprozess 1991 in den Dachverband heutigen Zuschnitts.
Ziel der Domowina ist es, die Sprache, Kultur und Traditionen des sorbischen-wendischen Volkes zu bewahren und weiter zu entwickeln. Sie vertritt die Interessen der Sorben/Wenden gegenüber Politik, Staat und Öffentlichkeit . Ferner initiiert und unterhält die Domowina internationale Kontakte zu den slawischen Nachbarn und anderen Volksgruppen sowie nationalen Minderheiten in Europa. Der Bund, der Freistaat Sachsen und das Land Brandenburg fördern die Domowina über die Stiftung für das sorbische Volk.
Stiftung für das sorbische Volk
Die Stiftung für das sorbische Volk soll ihm eine weitgehend selbstbestimmte Gestaltung seiner Belange bei finanzieller Förderung durch den Bund und die beiden Länder Brandenburg und Freistaat Sachsen ermöglichen. Sitz der Stiftung ist Bautzen, mit einer Außenstelle in Cottbus und drei Regionalbüros.
Zweck der Stiftung ist es, die sorbische Sprache und Kultur als Ausdruck der Identität des sorbischen Volkes zu pflegen. Unterstützt werden u.a .:
- das seit 1952 bestehende Sorbische National-Ensemble
- das Deutsch-Sorbische Volkstheater
- das Sorbische Museum Bautzen
- das Wendische Museum Cottbus
- der Domowina-Verlag, in dem sorbische Bücher, Zeitungen wie die obersorbische Tageszeitung „Serbske Nowiny“ und die niedersorbische Wochenzeitung „Nowy casnik“ sowie Zeitschriften herausgegeben werden
- das Sorbische Institut in Bautzen; es widmet sich der sorbischen Sprache, Geschichte, Kunst und Kultur.
Zweisprachiger Unterricht
In Sachsen und Brandenburg gibt es in Gebieten, in denen Sorben/Wenden leben, Schulen mit zweisprachigem Unterricht (Sorbisch und Deutsch) und Schulen, an denen Sorbisch als Fremdsprache gelehrt wird. Für jüngere Kinder bestehen in beiden Ländern mehrere sorbische Kindergärten. Der bundeslandübergreifende Sorbische Schulverein e.V. hat zudem das Projekt WITAJ (sorbisch für Willkommen) zur zweisprachigen Betreuung und Ausbildung an Kindergärten und Schulen ins Leben gerufen. Dabei sollen Kinder die sorbische Sprache nicht wie eine Fremdsprache, sondern wie eine weitere Muttersprache in einem sorbischsprachigen Umfeld erwerben.
Auch die öffentlich-rechtlichen Medien tragen ihren Teil zu einer lebendigen sorbischen Kultur bei. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) produziert mit über 30 Mitarbeitern aus dem MDR-Studio in Bautzen ein Obersorbisches Radio- und Fernsehprogramm. Radio Berlin-Brandenburg (RBB) sendet wöchentlich elfeinhalb Stunden lang ein niedersorbisches Radioprogramm aus dem RBB-Studio Cottbus.
Sprache
Bis zu 30.000 Menschen sprechen sorbisch. Es gibt zwei sorbische Sprachen: Niedersorbisch und Obersorbisch. Vor allem das Niedersorbische ist vom Aussterben bedroht. Niedersorbisch wird heute in vier Landkreisen im Südosten des Landes Brandenburg, Obersorbisch in vier Landkreisen im Nordosten des Freistaates Sachsen gesprochen.
Auch die Schriftsprache ist zweigeteilt. Dem Obersorbischen liegt der Bautzener Dialekt zugrunde. Er ist dem Tschechischen und Slowakischen ähnlicher und wird von mehr Menschen aktiv gesprochen als das Niedersorbische. Das Niedersorbische basiert auf dem Cottbusser Dialekt und weist Verbindungen zum Polnischen auf. Es gibt Befürchtungen, dass die Zahl der aktiven Sprecher des Niedersorbischen nicht ausreicht, um die Sprache dauerhaft am Leben zu erhalten.
Das Sorbische gehört zu den westslawischen Sprachen. Sowohl das Ober- als auch das Niedersorbische weisen gemeinsame Merkmale dieser Sprachengruppe auf.
Es gibt jedoch auch Besonderheiten gegenüber den anderen westslawischen Sprachen. So hat sich im Sorbischen in der Deklination und in der Konjugation der Dual (Zweizahl) erhalten, ein besonderer grammatischer Numerus zusätzlich zur Ein- und zur Mehrzahl, der angewendet wird, wenn von zwei Gegenständen die Rede ist (z.B. os. dwaj hólcaj spěwataj beziehungsweise ns. dwa gólca spiwatej „zwei Jungen singen“, gegenüber os. tři hólcy spěwaja beziehungsweise ns. Tśi gólcy spiwaju „drei Jungen singen“). Die sorbische Sprache ist in zahlreiche Dialekte und Ortsmundarten gegliedert, die sich auf allen Ebenen des Sprachsystems unterscheiden.
Welche Anziehungskraft hat Tradition?
n einer sich immer schneller drehenden Welt tauchen in jeder Woche an jeder zweiten Ecke drei neue Apps und vier neue Moden auf, sein Leben zu führen. Die Wendische und Sorbische Tracht ist das Gegenteil von fast fashion, in vielerlei Hinsicht.
Erste schriftliche Zeugnisse
Die Anfänge des schriftlichen Gebrauchs der sorbischen Sprache fallen in die Zeit der Reformation. Aus der Zeit davor existieren nur vereinzelte Zeugnisse, so die Magdeburger Glossen aus dem 12. Jahrhundert oder der Bautzener Bürgereid um 1500. Die ersten umfangreicheren schriftlichen Überlieferungen in sorbischer Sprache waren Übersetzungen religiöser Texte. Zu den ältesten Schriftstücken gehören die Übersetzung des Neuen Testaments von Mikławš Jakubica aus dem 16. Jahrhundert, eine Handschrift mit Kirchenliedern (Gregorius 1593) und eine Übersetzung des Kleinen Katechismus von Luther (Warichius 1595). Das erste gedruckte sorbische Buch war das Wendische Gesangbuch mit Katechismus von Albin Moller im Jahr 1574.
Für das Land Brandenburg und den Freistaat Sachsen sind Schutz und Förderung des Sorbischen-Wendischen nicht nur im Schulwesen und bei kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen, sondern auch in der Verwaltung, vor Gericht und im öffentlichen Verkehrsraum ein wichtiges Anliegen.
Adressen
Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V.
Postplatz 2
02625 Bautzen
Telefon: ( 0 35 91 ) 55 01 00
E-Mail: domowina-bautzen@sorben.com
Internet: www.domowina.sorben.com
Sorbisches Institut – Serbski Institut
Bahnhofstraße 6
02625 Bautzen
Telefon: ( 0 35 91 ) 4 97 20
E-Mail: si@serbski-institut.de
Internet: www.serbski-institut.de
Stiftung für das sorbische Volk
Postplatz 2
02625 Bautzen
Telefon: ( 0 35 91 ) 55 03 07
E-Mail: stiftung-bautzen@sorben.com
Internet: www.stiftung.sorben.com
Die Landesbeauftragte für Angelegenheiten der Sorben/Wenden
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur
Dortustr. 36
14467 Potsdam
Telefon: 0331 / 866 45 57
E-Mail: ulrike.gutheil@mwfk.brandenburg.de
Internet: www.mwfk.brandenburg.de
Kommunale Ansprechpartner für Angelegenheiten der Sorben/Wenden in Brandenburg
Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden
Landtag Brandenburg
Alter Markt 1
14467 Potsdam
Telefon: 0331 966 -1157
Internet: www.landtag.brandenburg.de
Der Text wird mit freundlicher Genehmigung des Bundesministeriums des Innern veröffentlicht. Quelle: Das sorbische Volk, in: „Nationale Minderheiten, Minderheiten- und Regionalsprachen in Deutschland“, Bundesministerium des Innern, 2. Aufl. 2014, S. 40-49. Die Landeszentrale hat dem Sorben-Wenden-Gesetz in der Fassung von 2014 entsprechend die Bezeichnung Sorben/Wenden im Text eingeführt. Beide Begriffe - auch in ihren Ableitungen wie etwa sorbisch und wendisch - werden in Brandenburg gleichberechtigt verwendet.
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