Die Einführung einer Frauenquote in Politik und Wirtschaft wird ebenso heftig gefordert wie sie abgelehnt wird. Die Wirtschafts- und Finanzexpertin Henrike von Platen spricht über politische Vorgaben und warum Quotenfrauen mutig sind.
Was halten Sie von politischen Rahmenprogrammen und Leitbildern in der Gleichstellungsdebatte?
Es geht weniger darum, was ich persönlich davon halte, sondern darum, dass politische Weichenstellungen bei dem Thema noch immer nötig sind. Ich sage bewusst „noch immer“, weil ich die Geschichte unseres eigenen Vereins im Hinterkopf habe. Seit 1930 setzt sich der BPW in Deutschland für gleichberechtigte Karrierechancen von Frauen ein. In den letzten Jahren haben wir offensiv für die Frauenquote geworben. Dass seit dem 1. Mai nun die verbindliche Mindestquote für Frauen in Aufsichtsräten gilt, ist ein wichtiges politisches Signal und zugleich ein realer Türöffner für qualifizierte Frauen.
Auch wenn sich viele eine weitergehende Regelung mit schärferen Sanktionen gewünscht hätten, bin ich überzeugt: Die Quote wird etwas bewegen. Ohne klare Vorgaben wäre es höchstens im Schneckentempo weitergegangen.
Henrike von Platen
Präsidentin des Frauennetzwerks Business and Professional Women (BPW), Germany.
Sie ist in Deutschland eine führende Aktivistin für faire Bezahlung für alle.
In Brandenburg sind mehr als 70 Prozent der Frauen erwerbstätig. Damit steht das Land im Bundesvergleich weit vorn. Ist ein weiteres staatliches Programm für die Gleichstellung da noch nötig? In Brandenburg ist es immerhin das zweite nach 2011.
Dass es notwendig ist, scheinen die Landespolitiker ja erkannt zu haben. Es wäre aber auch falsch, allein die Erwerbsquote als Maßstab für den Grad der Gleichstellung in der Gesellschaft zu nehmen. Viel aussagekräftiger sind qualitative Bewertungen wie zum Beispiel die Lohnfrage. Frauen verdienen im Bundesdurchschnitt bei gleicher Arbeit 22 Prozent weniger als Männer.
In Brandenburg sind es im Schnitt 8 Prozent weniger…
Und mit diesem „Weniger“ kann man sich doch nicht zufrieden geben. Denn das bedeutet Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Um eben darauf aufmerksam zu machen und Entscheider zu mobilisieren, rufen wir seit 2008 den Equal Pay Day in Deutschland aus. Und noch einmal zu Ihrer Frage nach der Erwerbsquote. Die ganz überwiegende Zahl aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. In Brandenburg sind es fast 80 Prozent. Das hat Folgen auf anderen Gebieten: So erhalten Frauen im Schnitt weniger Altersrente als Männer. Sie sind häufiger langzeitarbeitslos und von Armut betroffen.
Frauen sind auf Bundes- und Landesebene in Führungspositionen inzwischen gut vertreten. Warum setzen Sie sich für noch mehr Frauen in leitenden Positionen ein?
Ein Blick auf den Ist-Stand verdeutlicht am besten den Handlungsbedarf. Zwar nimmt der Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen kontinuierlich zu, sie fehlen jedoch in den wichtigen Ausschüssen. Auch haben bis heute die wenigsten Unternehmen, die zur Definition von Planzielen verpflichtet sind, konkrete Angaben gemacht (siehe hierzu auch das Stimmungsbarometer von FidAR).
Hinzu kommt, dass im Zentrum der Debatte meist die Frauen in den Aufsichtsräten der Unternehmen stehen. Aber auch für Frauen in den Spitzengremien der öffentlichen Hand, zum Beispiel in der Kommunalpolitik, muss gekämpft werden. Um Frauen für diese Ämter zu gewinnen, muss aktiv um sie geworben werden.
Männlich dominierte Strukturen, festgefahrene Rollenbilder oder schlechte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und politischer Karriere erschweren Frauen häufig den Aufstieg. In Sachen Chancengleichheit sollten gerade die öffentlichen Unternehmen und die Politik eine stärkere Vorbildfunktion einnehmen.
Frauen müssen gleichberechtigt mitentscheiden und gestalten. Alles andere bedeutet nicht nur ein demokratisches Defizit, sondern verschenkt auch wichtige gesellschaftliche Impulse und Talente.
Was ärgert Sie am meisten in der Debatte über Frauen in Führungspositionen?
Noch immer beklagen Personalvorstände, dass sie gerne ihre Mitarbeiter allein nach Qualifikation einstellen würden und es nicht genug Frauen für die anspruchsvollen Positionen gäbe. Noch nie waren Frauen so gut ausgebildet wie heute. Doch viele denken, die Quote ist durch, der Rest folgt von alleine. Ich befürchte, es wird nicht genug getan, um gute Frauen zu finden, zu fördern und Verantwortung übernehmen zu lassen.
Viele Frauen wollen aber gar keine Führungsposition übernehmen…
Das müssen sie auch nicht. Und das ist auch kein Argument gegen die Frauenquote. Frauen sollen die gleichen Chancen wahrnehmen können wie Männer. Aber das können sie nicht, weil noch immer geschlechtsspezifisch argumentiert wird. Noch ärgerlicher ist, wenn eine Frau, die es tatsächlich in eine Führungsposition geschafft hat, als „Quotenfrau“ diffamiert wird. Ich finde Quotenfrauen mutig und sie sollten uns als starke Beispiele zeigen dürfen, was möglich ist: Ihr könnt und sollt den Weg ganz nach oben gehen!
BLPB, Juli 2015 (Anm. der Redaktion: Henrike von Platen war bis 2016 Präsidentin des BPW)
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