„Für mich sind die Menschen wichtiger als der Ort“, sagt Dirk Petrick und ist etwas irritiert über die Fragen nach seiner sächsischen Identität. Dass Bad Muskau ausgerechnet im Freistaat Sachsen liegt, ist das Ergebnis eines Wechselspiels der Ländergrenzen.
Dirk Petrick, geb. 1980 in Bad Muskau, Beutemärker seit 2000
„Für mich sind die Menschen wichtiger als der Ort“, sagt Dirk Petrick, 34 Jahre alt, und ist etwas irritiert über die Fragen nach seiner sächsischen Identität. „Viel wichtiger ist mir, wie Menschen mir begegnen, wie sie auftreten und wie sie sind.“ Und doch weiß er: „Ich bin schon stolz darauf, Sachse zu sein.“
In seiner Geburtsstadt Bad Muskau (oder auch: Mužakow) wurde lange Zeit der ostniedersorbische „Muskauer Dialekt“ gesprochen, bis heute ist sorbisch die zweite Amtssprache. Dass Bad Muskau ausgerechnet im Freistaat Sachsen liegt, ist das Ergebnis eines Wechselspiels der Ländergrenzen. Sachsen und Brandenburg-Preußen, deren Grenzen in den letzten Jahrhunderten immer wieder neue Dimensionen annahmen und damit Geschichte schrieben - sind seit 1990 die Bundesländer: Brandenburg und Sachsen.
Der Schauspieler Dirk Petrick hat eine Zeitlang in Brandenburg gewohnt und lebt heute in Berlin. An Brandenburg schätzt er das Ländliche, an Berlin das Multikulturelle – und letzteres ist im Übrigen auch etwas, dass er gerne kultivieren möchte.
Dass der Ost-West-Unterschied nach so vielen Jahren noch immer eine Rolle spielt, stört ihn. „Wenn man Trennungen beibehält, kann es kein zueinander geben.“ - Gleichzeitig weiß er darum, dass kein Mensch vorurteilsfrei ist. Schubladen brauche jeder, erklärt er. „Es ist schwer, schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn Du nicht sortierst.“
Er genießt es, als Schauspieler und Synchronsprecher gerade in dieser Beziehung Freiheiten zu besitzen – indem er die Rollen tauschen kann, immer wieder in neue schlüpft. Es ist eine Arbeit, in der man „viele Leben in einem Leben kann“. Das sei der eigentliche Reiz am Schauspielern.
Wie würde er einen typischen Preußen inszenieren? Der Preuße wäre schlank und rank, er würde durch seine Exaktheit und Genauigkeit bestechen. Sehr pflichtbewusst wäre er und würde natürlich Befehle ausführen. Und wie spielte er den Sachsen? Das wäre gar nicht so leicht. „Wenn man an den Sachsen denkt, ist das erste sein Dialekt.“ – Und den kann er nicht ohne Weiteres sprechen. Wahrscheinlich würde er den gemütlichen Kaffeesachsen spielen, der sich gerne über die Leute und das, was passiert unterhält.
Der Kaffeesachse ist aber nicht das erste, was ihm einfällt, wenn er an seine eigene Heimat denkt. Es ist vielmehr der Park von Fürst Pückler-Muskau ein – kein Klischee, sondern dort hat er mit seinen Freunden gespielt; direkt neben dem Park liegt seine Schule. Durch den Park ist er gejoggt und im angrenzenden Wald lief er umher, sinnierend, sich Geschichten zusammen reimend.
Dirk Petrick schürzt die Lippen. Sächsische Wurzeln…? Noch immer ist er am Überlegen, was das für ihn heißen könnte. „Ganz vogelfrei bin ich natürlich nicht, die wichtigsten Menschen brauch ich um mich herum.“ Dazu gehörten seine Familie und seine Freunde. Aus Bad Muskau zu kommen habe für ihn jedoch etwas Undefinierbares. Bad Muskau habe immer an der Grenze gelegen: an der Grenze zu Brandenburg, zu Sachsen, zu Polen… Und ein bisschen identitätslos fühle auch er sich.
Könne er sich also vorstellen, dass er genauso gut in Brandenburg hätte großwerden können? Dirk Petrick ist irritiert und stutzt. Ein komischer Gedanke. Da verschränke sich etwas in seinem Inneren. Auch wenn der Kopf sage, der Landstrich spiele keine Rolle, läge doch sein Herz in Bad Muskau. Die Heimat sei etwas, das man sich nicht nehmen lassen wolle. Sie ist verbunden mit seinen Erinnerungen. Die Vorstellung, das Erlebte nicht mehr zu haben, das befremdet. „Wahrscheinlich ist es das, was Heimat ist.“
Text: Barbara Tauber, 2014
für die Wanderausstellung "Wir Beutesachsen, ihr Beutemärker"
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